Die Sache mit dem Glück …

Die Sache mit dem Glück …

Ich weiss doch, wie flüchtig alles ist! Glück vor allem. Nie, nie habe ich geglaubt, ich könnte es festhalten. Geheimrat Goethes Warnung hat sich der Germanistin in mir tief eingegraben. Denke nie – und sag es schon gleich gar nicht!: „Augenblick, verweile doch, du bist so schön.“ Sofort isses weg, das Schöne.

Da bin ich abergläubisch. Das lässt sich nie festhalten. Versuche ich es, hab ich’s schon vertrieben. Also bitte gar nicht erst dran denken, besser gleich völlig ausblenden… So ähnlich wie bei diesem „bösen Blick“. Der schon Neu- oder noch gar nicht Geborenen droht. Wogegen man sie vielleicht mit Amuletten schützen kann. Vielleicht.

Es sind bestenfalls Nanomomente. Die kommen vielleicht, manchmal, nie, wenn ich sie brauche. Im Leben nicht, wenn ich dran denke. Wenn ich den Verstand eingeschaltet habe. Verstand aus, Kopf ab, alles aus. Auch keine Lösung.

Und dann kam Charlotte: fressen, pinkeln, scheißen, schlafen, spielen. Und manchmal kuscheln. Mehr braucht es nicht. Hat sie mir beigebracht. Rennen kann sie hervorragend. Hat ja auch vier Pfoten. Wenn ein Hund über einen Strand rennt, ist das Lebensfreude pur. Ich weiß, es macht mich glücklich, meinem Hund zuzugucken. Aber kann ich das wirklich mein Glück nennen? Ist es nicht Charlottes Glück?

Ja, auch das weiß ich: Wenn man Glück nicht teilen kann, ist es keins. Das ist aber schon wieder dieses „große Glück“. Das aussieht wie ein Kuchen. Den man sich selbst backen, an dem man sich festhalten, den man sich einverleiben kann. Nee, das ist nicht mein Glück.

Mein Glück irrlichtert. Ist unfassbar. Immer da, nie greifbar. Eher so was wie die universale Liebe. Zu allen Geschöpfen dieser Welt. Charlotte ist ein Spiegel davon. Mein Mann auch. Also, meine Gefühle für die beiden. Und für noch viel mehr. Für alles, was lebt. Steine inklusive, Amselgesang und Rosenduft. Und.

Zu groß, zu groß!

Und immer schon hab ich mit Friedrich Hollaender gehadert. Der das geschrieben hat, was Marlene Dietrich gesungen hat: „Wenn ich mir was wünschen dürfte, möchte ich etwas glücklich sein. Wenn ich gar zu glücklich wär′, hätt‘ ich Heimweh nach dem Traurigsein.“
Klingt erst mal richtig. Und so schön melancholisch. Für mich ist es purer Blödsinn. Jedenfalls jetzt, mit 63 Jahren. Mit 20 sah das völlig anders aus. Da hatte mich die Melancholie fest im Griff. Da hab ich solche Gedanken geliebt: Glück ist eine Illusion! Ein Bestechungsversuch, dem ich bestimmt nicht erliegen werde. Alles ist kaputt, ich bin es auch. Punk eben.

Diesen Friedrich-Hollaender-Text, den hat einer meiner Chefs gern zitiert. Ein zutiefst unglücklicher, völlig zerrissener Mensch. Und da hab ichs endlich kapiert. Hab schon lang geahnt, da stimmt was nicht … „Ein bisschen Glück“, das gibt’s schlicht nicht. Ist wie beim Glauben: ohne Hingabe geht es nicht. Hintertüren gibt es nicht. Und trotzdem HABEN wir das Glück nie. Keine Besitzansprüche, keine Steuerungstechniken, kein Guthabenkonto. Der pure Gegenentwurf zu fast allem, was wir so kennen. Darum liebe ich die Idee vom Glück. Allumfassend.

Aber ich sage so gut wie nie: Glück gehabt! Da bin ich abergläubisch. Und jetzt geh ich mit Charlotte raus.

Ich freue mich, wenn ihr diesen Beitrag in die Welt tragt ... danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner