Beruflicher Neustart 50plus: Querdenker. Chancen und Risiken

Beruflicher Neustart 50plus: Querdenker. Chancen und Risiken

Ergänzung im Jahr 2021: Ich lasse den Text so stehen, wie er ist. Was ich mit dem Wort „Querdenken“ meine, geht deutlich daraus hervor. Allerdings möchte ich mich ausdrücklich von allen „Querdenker:innen“ distanzieren, die seit Monaten dieses Wort in Verruf bringen. Wenn es gleichgültig wird, ob meine Gedanken mit extrem rechten Positionen in einen Topf geworfen werden (oder diese sogar aktiv unterstützen), hat das Wort für mich seinen Sinn verloren. Es ist „verbrannt“. Das macht mich wütend. Denn ich mochte das Wort gern. Der folgende Text wurde 2016 geschrieben. Seit etwa einem Jahr habe ich das Wort Querdenker aus meinem Sprachschatz gestrichen. Geht für mich nicht mehr – oder ich müsste ständig eine Distanzierung wie diese hier anführen. Was die Kommunikation ziemlich holprig machen würde. Darum lasse ich es – zähneknirschend – lieber gleich bleiben.

 

Dieser Teil meines kleinen Ratgebers für den beruflichen Neustart 50plus ist vermutlich der persönlichste… Nein: Stimmt nicht ganz, persönlich sind sie alle. Aber es war immer schon so, dass mich die Fokussierung auf Fachsprachen und kleinteilige „Fachthemen“ abgeschreckt hat. Weil ich mir die Welt größer, bunter, vielschichtiger und vielfältiger denke (und wünsche…) Weil ich mich für sehr viele Themen – und vor allem Menschen – interessiere. Weil ich tatsächlich viele unterschiedliche Talente habe.

Mögliche Definition einer Querdenkerin: von Philosophie zur Häkelnadel

Es gab eine Zeit, da hatte ich mir vorgenommen, alles zu lernen, was es braucht, um ein Buch von A bis Z selbst zu machen. Text, Gestaltung, Layout und Buchdruck. Buchbinderei, Fadenheftung und Papierschöpfen, Covergestaltung, Vertrieb, Verkauf, Marketing. Zum größten Teil ist mir das auch gelungen.

Dann kamen das „Verlags- und Buchhandlungssterben“, E-Books und so weiter. Doch die Liebe ist geblieben. Die Liebe zum Handwerk beispielsweise. Und natürlich die zum Buch. Das lässt sich jetzt durchaus mit andren Mitteln fortsetzen, fast alles von dem, was ich kann, lässt sich irgendwie transformieren. Nichts ist verloren. Vor allem darum, weil ich mir schon lange angewöhnt habe, das „Eine“ auf ein „Anderes“ zu übertragen. So lassen sich anhand von philosophischen Prinzipien Arbeitsabläufe analysieren. Oder mit einer Art Häkelnadeltechnik Bootsleinen um Poller wickeln – um beispielsweise vor häufigen Schleusen mit einem Hausboot nicht immer hoch- und runterklettern zu müssen…. Das alles habe ich getan – und tue es noch. Man nennt es in der Regel „querdenken“, was es ganz gut trifft. Das Prinzip ist, sich eben nicht immer tiefer in die Spitzfindigkeiten separater Fach-Welten einzugraben – obwohl in manchen Lebens- und Arbeitsbereichen natürlich grade das unabdingbar ist. Doch mir liegt es einfach nicht.

Darum bin ich wirklich das, was man eine Querdenkerin nennt, mit vielen scheinbar disparaten Fähigkeiten und Kenntnissen. Mir selbst hat das schon oft sehr geholfen. Aber es hat mir auch schon schwer geschadet.

Querdenker finden selten adäquate Jobs

Es ist schon oft gesagt und geschrieben worden: gerade in der Arbeitswelt suchen viele Firmen in ihren Stellenausschreibungen nach Querdenkern. Und haben sie dann einen oder eine gefunden, können sie nichts mit ihnen anfangen. Die Strukturen unsrer Arbeitswelt sind einfach nicht dazu gedacht, Grenzen aufzubrechen: Hierarchien, Entscheidungswege und lang zementierte Machtgefüge würden zusammenbrechen. Das ist der eine Aspekt.

Der andre ist viel kleinteiliger – nichtsdestotrotz für den einzelnen Querdenker gravierender. Vor allem, wenn der querdenkende Mensch älter wird. Und sich neu bewerben will. Oder muss. Denn natürlich sammeln sich bei querdenkenden Menschen im Lauf der Zeit immer mehr Kenntnisse, Fähigkeiten und Interessen. Schlimmstenfalls erwähnt er das dann auch noch alles in der Bewerbung. Die Reaktion ist vorprogrammiert: „Der/die kann von allem etwas. Also nichts richtig!“

Nun sind Querdenker vielleicht kompliziert, sicher aber nicht blöd. Also werden sie auswählen. In Bewerbungen. Und Vorstellungsgesprächen. Gelingt das, bleibt trotzdem immer ein schales Gefühl: Ich bleibe unter meinen Möglichkeiten. Oder: Das kann gar nicht mein Traumjob sein! Oder: Ich muss mich verstellen, zurücknehmen, verbiegen…. Will ich das? Ich wollte es nicht.

Der berufliche Neustart mit 50plus ist nicht immer so einfach....  Neustart 50plus, beruflicher Neustart 50plus, Lebensumbrüche 50plus
Foto: www.123rf.com

Da kommt nun ein weiterer Faktor dazu: Wer mit 50plus noch einen neuen Job suchen will oder muss, hat immer ein kleines Handicap. Das ist ganz einfach der Zeitfaktor. Mehr oder weniger bewusst denken ältere Menschen bei Neu-Bewerbungen doch immer ein wenig auch: „Dies könnte meine letzte Chance sein.“ Oder: „Dieses Mal mache ich es richtig, suche etwas, das zu mir passt.“ Es ist klar: Diese Gedanken haben vermutlich alle, die sich in höherem Alter noch einmal bewerben. Aber bei Querdenkern ist es gravierender: Wenn kein Wunder geschieht, KÖNNEN sie nämlich gar nicht den ihnen adäquaten Job finden – siehe oben. Und Wunder sind so selten….

Chance Selbstständigkeit?

In den andren Beiträgen meiner kleinen Reihe „beruflicher Neustart mit 50plus“ hab ich immer noch den ein oder andren Ratschlag geben können. In diesem Teil wird das wohl nichts.

Ich kann höchstens sagen: MEIN Weg aus diesem Dilemma war der Weg in die Selbstständigkeit. Denn da kann ich mit meinen vielen unterschiedlichen Fähigkeiten Kunden sehr gut unterstützen, in meinem Fall als Kommunikationsfachfrau. Da nutzt es grade kleinen Firmen viel, wenn jemand „querdenken“ kann. Wie, was und wo ich das anbiete? Als Texthandwerkerin. Guckt mal hier (Werbeeinblendung Ende…)

Doch der Weg in die Selbstständigkeit ist kein Ratschlag, der sich so pauschal geben ließe. Dazu gehören sehr viele persönliche Voraussetzungen, gründliche Überlegungen, Abwägungen… Andrerseits: Vieles lässt sich auch lernen. Und eine Chance ist der Weg in die Selbstständigkeit allemal. Gerade, wenn man nicht mehr ganz jung ist. Wenn man im Lauf seines Arbeitslebens viel gelernt hat. Vielleicht auch Verschiedenes….

Ja, es gibt Hilfen! Darum wird es in den nächsten Beiträgen gehen. Da wird es dann auch endlich konkreter, versprochen!

Den ersten Teil, sozusagen den Auftakt-Beitrag, findet ihr hier.

In Teil 2 geht es um die Kontaktpflege.


 

Ich freue mich, wenn ihr diesen Beitrag in die Welt tragt ... danke!

11 Gedanken zu „Beruflicher Neustart 50plus: Querdenker. Chancen und Risiken

  1. Man braucht Glück, keine Frage, Beziehungen, sich immer wieder in Erinnerung rufen.
    Mit 57 habe ich einen neuen Job gefunden und wurde während der Probezeit entlassen. Man hatte so keine richtige Verwendung und es kam so eines zum anderen. Meinem Selbstbewusstsein hat das geschadet – keine Frage.
    Den nächsten Job habe ich mit knapp 58, also ein 3/4 Jahr später gefunden und mir geht es super damit. In der Zeit zwischen den Jobs habe ich mich (auf eigene Kosten) fit am PC gehalten und gelernt, was eben ging, also abends, Wochenendekurse etc. Zusätzlich habe ich in Frankfurt mehrere Workshops beim Verein zur Förderung der berufstätigen Frau besucht. Es ging um die Klärung der Lebenssituation, die eigenen Kompetenzen etc. und um Vorstellungsgespräche. Kurz vor Ende des WS hatte ich ein Vorstellungsgespräch und das ergab dann meinen jetzigen Job.
    Jedem, den ich kenne, habe erzählt, dass und was ich suche, er möchte an mich denken, wenn er etwas hört usw. usw. Und über diese Verknüpfungen wurde mir ein Tipp gegeben, mich doch da zu bewerben.
    Es ist nicht so, dass wir unfähig sind, etwas Neues zu lernen, uns umzustellen usw. Das geistert leider noch in den Köpfen der anderen (jüngeren) herum. Vom Arbeitsamt habe ich keine Unterstützug bekommen, auch keine finaziellen Unterstützungen zu Kursen o. Ä.. Darüber bin ich sauer. Auch heute noch.
    Es ist schwer, an sich zu glauben, wenn man zig Bewerbungen schreibt und nichts kommt dabei raus. Bei mir kam ein massiver finanzieller Druck dazu. Umso mehr bin ich froh, die Kurve bekommen zu haben.
    Ich möchte damit Mut machen, dass etwas geht.Jede soll sich informieren, was wo möglich ist an Fortbildungen, Sprachkursen etc., was eben wichtig ist, um etwas Neues zu beginnen. Damit zeigt man, dass man lernfähig ist und Interesse hat. Es gab in der Zeit für mich keine neuen Klamotten, keine neuen Stiefel etc. etc. ich habe in mich „investiert“. Wichtig ist allerdings, dass es gute Beratungs- und Fördermöglichkeiten in der Nähe gibt, das gebe ich zu. Und das herauszufinden ist zeitaufwändig. Falls es das gibt, sich bei der Frauenbeauftragten erkundigen, die sind gut informiert.
    Sich austauschen mit anderen in der gleichen Situation aber sich nicht gegenseitig runterziehen.
    Mit einer entfernten Bekannten habe ich mich in der Zeit unterhalten, auch sie 53 Jahre alt, gerade einen neuen Job gestartet, nachdem ihre alte Firma geschlossen wurde. Sie erzählte, dass in der jetzige Firma ein Generationenwechsel stattgefunden hätte. Es seien 3 neue Mitarbeiterinnen eingestellt worden, alle 3 über 50.
    Glück gehört in jedem Fall dazu.

    1. Liebe Bea, danke für’s Mutmachen!!!
      Ich sehe das alles ganz ähnlich wie du. Und werd in Zukunft auch wieder positivere Aspekte beleuchten, versprochen! Nur denke ich halt auch, dass es nicht fair ist, das Negative komplett aussparen zu wollen… weder fair den eigenen Anstrengungen gegenüber- die du ja wunderbar beschreibst. Noch fair gegenüber den Menschen, die noch hadern und feststecken in all den Mühlen und Problemen.

      Ich finde es wunderbar, wie du das alles gemeistert hast, dank dir für die Schilderung – und weiterhin: viel Glück!
      Herzlichen Gruß
      Maria

  2. Liebe Maria, ich bin mit deinen Ausführungen bei dir. Leider ist es wirklich schwer als Frau ab einem bestimmten Alter im Berufsleben wieder Fuß zu fassen. Ich sehe das gerade bei einer Freundin, die ist 59 und ganz verzweifelt auf der Suche. Sich selbständig machen, gut aber bestimmt nicht einfach. Erst einmal musst du wissen womit, dann braucht man Geld und Unterstützung. Von dem dazugehörigen Mut sprechen wir erst einmal gar nicht. Wenn du als Frau ganz alleine da stehst ist es noch schwieriger. In diesem Sinne wünsche ich dir ein schönes Wochenende.
    LG Petra

    1. Liebe Petra, danke für deinen Kommentar. Und einfach nur: Ja! In allen erwähnten Punkten. Ich wünsche deiner Freundin alles Gute! Und glaubt mir: Ich weiss, wie schwer das ist! Eigentlich kann ich nur dazu raten, sich so viel Zeit wie möglich für sich selbst zu nehmen. So lange, bis das „alte Ich“ wieder halbwegs stabil ist – das ist ja meist schrecklich angekratzt. Aber ich bin keine Therapeutin, darum mag ich solche Ratschläge nicht allzu laut von mir geben. Ich weiss nur: Bei mir war der Zeitfaktor sehr wichtig!
      Alles Gute!
      Herzlichen Gruß
      Maria

  3. „Querdenkerin“ bin auch ich, und auf vielen Gebieten eine Nicht-Expertin. Die Wechsel zwischen Berufsfeldern – das hat einerseits das Leben so mit sich gebracht, andererseits hielt ich es auch nicht viel länger als sieben Jahre in einem Beruf aus. Das war die Zeit, die ich brauchte, um mir die Kenntnisse und Erfahrungen des Gebiets anzueignen, ausreichend unter seinen Plagen zu leiden und genug Frust angesammelt zu haben, um nach Neuem Ausschau zu halten.
    Mit 57 machte ich einen Schnitt: ich ging vorzeitig in Rente (Minimalrente), hatte Zeit mich neu zu orientieren (äußeres Zeichen: ich machte den Führerschein). Zunächst großes Durcheinander, Gesuche, viel Frust. Ab 58 fingen dann die Fäden an, sich in mir zu vernetzen. Bin ich Wissenschaftlerin gewesen – und Künstlerin – und Lehrerin – und Unternehmerin – und facilitator für Gruppenprozesse, so leite ich jetzt u.a. kunsttherapeutische Gruppen an, wobei sich die früher gewonnenen Erfahrungen gegenseitig befruchten

    Lebensläufe habe ich viele, wie ich merke, wenn ich mich irgendwo bekannt mache. Dann ziehe ich einen Faden heraus, den ich präsentiere. Der Rest darf ungesagt bleiben.
    „Ideal“ war keiner meiner beruflichen Zustände, aber die Fülle der Erfahrungen macht eine ideale Summe. LG Gerda

    1. Liebe Gerda, in meinen Ohren klingt das wunderbar… Bin allerdings nicht sicher, ob es (noch) viele Menschen gibt, die solche Lebensläufe zu schätzen wissen. Manchmal sehne ich mich auch einfach nach dem Ideal des „Universalgelehrten“ zurück…. Klingt irgendwie viel besser…
      Herzliche Grüße
      Maria

  4. Finde deine Serie auch mit 40plus wirklich interessant und freue mich auf jeden neuen Post. Danke! Und deine Tipps zum Thema „Kontaktpflege“ hätte ich mal sehr viel früher beherzigen sollen. Das letzte Buch, das ich zum Thema gelesen habe, war „Networking für Networking-Hasser“. Das sagt ja auch schon einiges… 😉

    LG Anna

    1. Liebe Anna, das freut mich sehr! Herzlichen Dank, du Networking-Starterin 😉 Ich finde ja, das ist ein ganz netter Aspekt an der ganzen Sache… Das funktioniert nämlich in aller Regel ziemlich leicht. Und ganz oft auch freundlich…
      Herzlichen Gruß
      Maria

  5. Liebe Maria,
    „Vieles läßt sich auch lernen“, da sprichst du mir aus der Seele. Oft höre ich, dass man in höherem Alter schlecht bis gar nicht mehr lernen kann. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht stimmt. Ich muß mit meinen 61 Jahren in meiner Branche auch jeden Tag dazulernen und es funktioniert. Zusätzlich hält es das Gehirn fit.
    Dir wünsche ich allen Erfolg der Welt und allen anderen, die vor einer beruflichen Entscheidung stehen, den Mut das zu tun, was sie schon immer tun wollten.
    Liebe Grüße
    Karin

    1. Liebe Karin, ja, wir können das – jetzt. Wieder, neu und anders… Aber an meiner eigenen Geschichte sehe ich halt auch, dass es einem erst mal ziemlich den Boden unter den Füßen wegziehen kann… Das muss man erst mal wegstecken können, bevor man aufsteht, sein Krönchen richtet und weiter geht/Neues lernt. Ich versuche, solche „Warnungen“ immer auch im Hinterkopf zu behalten. Das Schwierige ist dann eben, gleichzeitig den Optimismus/den Mut neu zu etablieren, nicht zu verlieren… Darum: Ganz herzlichen Dank für deine lieben Wünsche!
      Maria

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