Buchtipp: Ruprecht Frieling – Der Bücherprinz

Buchtipp: Ruprecht Frieling – Der Bücherprinz

Für mich ist der Mann DIE Entdeckung der letzten drei Jahre meiner Auseinandersetzung mit Selfpublishing, Eigensinn und Buchmarkt … Ich weiß nicht, ob ihr das kennt: Man trifft jemanden, steht mit ihm an irgendeinem Stehtisch rum. Und kriegt plötzlich auf einen Schlag gute Laune. So ging mir das mit Ruprecht Frieling. Ich wusste in einer plötzlichen Erkenntnis: Der Mann ist ein Geistesverwandter, nein, mehr als das. Der traut sich tausendmal mehr als ich, hat so vieles wahr gemacht, was bei mir oft als schöner Traum versickert ist … Nicht, dass ich das bereue: Ich bin sehr lang sehr bewusst „hinter den Kulissen“ geblieben – weil ich mich da wohler fühle. Das war für mich immer schon so: Wer was/wieviel umgesetzt hat, gibt selten den Ausschlag. Schon gar nicht das, was wir heute so überzeugt – nur in Geld messbar – Erfolg nennen … Viel wichtiger ist mir die Idee dahinter. Die Art zu denken. Offenheit, Neugierde und die Fähigkeit, jedem Menschen die eigne Meinung lassen zu können. So genau hätte ich das damals natürlich nicht in Worte fassen können. Da war nur dieses Gefühl: Der und ich, wir haben einen ähnlichen Hintergrund. Der Mann hat viel erlebt, sich nie „verbiegen“ lassen, ist immer noch neugierig, schlagfertig. Und großzügig.

Ja, manchmal bin ich ein bisschen hellsichtig … Denn ich hatte keine Ahnung, wie sehr sich dieser erste Gedanke bewahrheiten sollte. Das erste Gefühl war einfach – tja, vertraut.

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Bücherprinz: Ruprecht Frieling

Wenn ich ein Buch zweimal lesen muss …

Dann hatte ich die Qual der Wahl: In welchen meiner Blogs setze ich diesen Beitrag? Ich fang mal hier an – und variiere das später vielleicht noch auf anderen Kanälen … Denn der Mann, um dessen Autobiografie – nein, falsch! „Lebensabschnittsgeschichte“ – es gehen soll, wurde 1952 geboren. Schreibt aber NICHT über das Älterwerden. Warum auch? Er ist im Kopf so viel jünger als viele Zwanzigjährige, die ich kenne.

Das Buch, um das es geht, musste ich zweimal lesen, bevor ich jetzt halbwegs in der Lage bin, darüber zu schreiben … So sehr vibriert, pulsiert, sprüht und funkt das – bis kurz vorm Bersten. Zwar wurde es selbst mir stellenweise etwas zu schnodderig … Kapitelüberschriften wie „dem Redakteur ist nichts zu schwör“, „Alles Schlampen außer Mutti“ oder „Wunderwelt der Triebe“ sind … Geschmackssache. Aber ich kann so was gut überlesen, wenn ich der Ansicht bin, dass das, was hinter solchen Überschriften steckt, mehr wert ist als die „Verpackung“. Schließlich war der Mann lange Zeit auch Journalist. Und was für einer! Im Nachhinein sehe ich Frieling als eine Art Krankenpfleger der deutsch-deutschen Teilung. Er brachte immer wieder Blutkonserven über die Grenze, berichtete von ausgedehnten Reportagereisen quer durch die DDR den nicht selten staunenden Westbürgern, was sich im anderen Teil Deutschlands, hinter der Grenze, so alles tat: „Dies war die DDR in all ihrer Widersprüchlichkeit und ich war ihr Chronist.“

Hirn und Sehnsucht …

Überhaupt, Grenzen! Die hat Frieling nie akzeptiert – und tut es bis heute nicht. Etwa, als der 26-Jährige 1978 zum „Chefredakteur und Blattmacher“ der Berliner Seniorenpost wurde: „Wir wollten aktive Angebote für intelligente Leser liefern, also Menschen ansprechen, die mit dem Erreichen des Rentenalters nicht ihr Hirn in Ruhezustand versetzt hatten.“ Hat natürlich bestens funktioniert.

Oder all die Begrenzungen des deutschen Buchmarkts … die schon sehr frühe Erkenntnis, dass es sein könne, „dass schnell zusammengeschusterte Trivialitäten ohne höheren Anspruch besser verkäuflich waren als liebevoll gestaltete Bildbände auf hohem Niveau“. Ja. Das war schon Ende der 70-er Jahre so – und hat sich bis heute nicht geändert. Immerhin brachten genau diese liebevoll gestalteten Bildbände in ihrer ganzen Unverkäuflichkeit Frieling genau dorthin, wo er vermutlich noch immer sehr vielen Menschen ein Begriff ist: Als der Mann hinter all den Klein-Anzeigen „Verlag sucht Autoren“. Tatsächlich schrieb er erst mal ein Buch darüber („Autor sucht Verleger“) … über die Sehnsucht, sich veröffentlicht zu sehen, den Hunger von Autoren nach Sichtbarkeit und all die Hürden des deutschen Büchermarkts. In den USA hatte Frieling ein Modell entdeckt, das genau da Abhilfe schaffte: „Als erster Verleger im deutschsprachigen Raum bot ich öffentlich an, jedes Manuskript zu prüfen, um es bei Eignung zu Lasten des Verfassers in meinem Verlag herauszugeben.“ Wer sich darauf einließ, war „Selbstzahler“. Und wusste immer sehr genau, was ihn erwartete – keine Spur von versteckten Kosten! Das wurde Frieling schließlich auch im „Spiegel“ nach einjähriger Beobachtung seines Verlagsmodells durch den mehr als kritische Hendryk M. Broder öffentlich bescheinigt. Fazit: „Kein anderer Verleger hat so viele Autoren glücklich gemacht“ wie Ruprecht Frieling.

Neues Verlagsmodell

Ich gestehe: Diese Anzeigen kenne ich auch schon sehr lang. Aber ich habe sie immer mit reichlich Arroganz gelesen. Etwa nach dem Motto: „Na, wer’s nötig hat …“ Was für eine wunderbar offenherzige, kompromisslos menschliche, radikal neue Leistung hinter diesem Geschäftsmodell steckte, habe ich tatsächlich erst nach dem Lesen von „Der Bücherprinz. Oder: Wie ich Verleger wurde“ vollständig begriffen – shame on me! Natürlich hat Frieling damit Geld verdient – warum auch nicht?! Er hat sehr fair dafür gearbeitet – gemeinsam mit den Mitarbeitenden seines Verlags, denen nicht selten täglich rund 50 Manuskripte zur Prüfung vorlagen. Und den Titel seiner Autobiografie, den hat Frieling sich auch verdient … den hat ihm nämlich das Börsenblatt in einem Beitrag über ihn verliehen.

So, das waren ein paar Aspekte, warum mich Ruprecht Frieling aus eher beruflicher Sicht so interessiert. Ich bin sicher: Ohne ihn wäre der Widerstand gegen das Selfpublishing in Deutschland noch viel größer (gewesen), als ohnehin schon. Für mich ist er eine Art Bindeglied zwischen dem anhaltenden Wunsch nach Selbstbestimmung der Autor/innen und den – nicht selten seltsamen – Strukturen des deutschen Buchmarkts. Aber das ist ja noch lang nicht alles!

Verzweiflung und pralles Leben

Frieling ist genau die acht Jahre vor mir geboren, die mir immer gefehlt haben, um als „echter Hippie“ durchzugehen. Und aus dieser Zeit erzählt er in diesem Buch schonungslos, witzig, intensiv. Manchmal aber kommt auch ganz ungefiltert die Verzweiflung durch … etwa, weil überall „der Rohrstock pfiff“ – zu Hause oder in der Schule. Oder noch viel schlimmer, als der 15-Jährige Knall auf Fall von den eigenen Eltern für zwei Monate in die geschlossene Jugendpsychiatrie eingewiesen wird. Begründung: „verhaltensauffällig und unberechenbar“ soll er gewesen sein, Hauptgrund: Er will sich nicht von seinen langen Haaren trennen.

Mit 16 schafft er es endgültig, die deutsche Enge zu verlassen – und landet zuerst in London, dem „Paradies für junge Leute, die anders waren und selbstbestimmt leben wollten.“ Dann geht die Reise weiter. Viel weiter – und ich habe das Gefühl: Sie hört noch lang nicht auf.

Dieses Buch schildert das pralle Leben eines Mannes, der für sehr vieles offen ist: Musik und Kunst, Fotografie und immer, immer wieder: das Buch. Beim Lesen kann häufig grinsen – wer sich daran erinnert. Staunen – wer diese Zeit nur vom Hörensagen kennt. Mitfiebern – wer wie ich einen ähnlichen Lebensweg, ähnliche Wünsche und Ideale hat. Es ist bunt, es ist wild, aufregend und skurril, nachdenklich. Und voller Zitate. Als Fotos wie im Text, von Musik bis Kunst. Procul Harum und Günter Wallraff, Egon Erwin Kisch und Eddie Constantin, Joseph Beuys und Charles Wilp … ach, das ist nur eine klitzekleine Auswahl.

Bücher, Bücher, Bücher …

Immer bleibt Frieling dabei er selbst. Und immer bleibt eine absolut verlässliche Konstante: das Buch. Auch, wenn es elektronisch ist. Egal, ob er sein 41plustes Buch schreibt. Oder noch immer Bücher anderer entdeckt


 

Ich freue mich, wenn ihr diesen Beitrag in die Welt tragt ... danke!

3 Gedanken zu „Buchtipp: Ruprecht Frieling – Der Bücherprinz

  1. Eine solche Eloge über sich selbst zu lesen, ist eine ungewöhnliche Sache. Man weiß nicht so richtig, wie damit umzugehen ist.

    Deshalb helfe ich mir mit einem Zitat von Paul Coelho, mit dem ich zwar nicht die esoterische Ader jedoch die biographische Parallele als Hippie teile (auch er wurde wegen seiner langen Haare von den Eltern in die Nervenklinik gesteckt und dort mit Elektroschocks malträtiert):

    »Es gilt, alles zu unterlassen, was uns zu lebenden Toten macht, und alles auf die Dinge zu setzen, von denen wir immer träumten, und alles für sie zu riskieren. Denn, ob wir wollen oder nicht, der Todesengel erwartet uns schon.« (in: »Sei wie ein Fluss …«)

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