Sehen – hören – riechen – schreiben. Oder: mein #schreibwarum

Sehen – hören – riechen – schreiben. Oder: mein #schreibwarum

Vorbemerkung

Diesen Beitrag habe ich auf Meike Blatzheims Aufforderung hin geschrieben … Sie ist in vielen Bereichen eine Kollegin und firmiert unter anderem als „Textgefährtin„. Jetzt hat sie eine Blogparade gestartet. In der fragt sie: „warum du Romane, Kurzgeschichten oder was-auch-immer schreibst. Auch Geschichten übers Schreiben sind erlaubt – Hauptsache, du verrätst, was dich motiviert!“

Wer zufällig Lust hat, ebenfalls  mitzumachen: Geht noch bis 1. September 2022. Ansonsten lassen sich hier alle Beiträge nachlesen.

Mein #schreibwarum

In gewisser Weise bin ich ja ein bisschen extrem: Bin gern mal für mich, manche nennen es „allein“. Doch so hat sich das für mich nie angefühlt. Denn bevor ich auch nur ahnte, was das Wort „Kommunikation“ bedeutet, habe ich mich schon unterhalten. Zur Not auch mal mit Schränken, Kuscheltieren oder Pflanzen. Das war vermutlich, bevor ich lesen konnte. Seitdem mache ich das zwar immer noch. Manchmal. Aber selten. Eher rede ich mit mir selbst. In Gedanken, seltener auch mal laut. Das ist dann aber ein Versehen.

Meine Kommunikation geht immer über Sprache. Und das muss nicht zwingend das „gepflegte Gespräch“ sein, es können auch Bücher, eigene Gedanken, sogar Träume sein. Ja, in manchen Träumen feile ich intensiv an komplizierten Textpassagen. Sind leider immer sofort mit dem Aufwachen wieder verschwunden. Schade.

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Kommunikation also. Die ist für mich fast gleichbedeutend mit Leben. Und für mich war, ist und bleibt sie Sprache. Obwohl ich mittlerweile entdeckt habe, dass andere Menschen mit ganz anderen Mitteln kommunizieren: über Töne, Farben, Musik, Fotos und Icons, Gerüche … Das ist ein Bereich, den ich wahnsinnig spannend finde. Wenn all meine Worte jetzt auch noch Farben hätten. Oder Gerüche! Kaum auszudenken, kaum auszuhalten. Nein, ich bin keine Synästhetikerin. Und das ist vermutlich auch gut so. Denn sonst würde mein Kopf wohl explodieren. Ich finde ja so schon, dass Sprache ein unglaublich intensives Medium ist. Ich kann – vor allem in geschriebenen Texten – manchmal Angst riechen, Vorbehalte sich verknubbeln sehen, mutig-kleine Löwen spüren, die in zwei, drei Zeilen nach vorn preschen wollen …

Und Sprache ist ja nun wirklich nicht gleich Sprache. Wie gesagt: Ich träume sogar in (geschriebenen) Sätzen. Die ich Sekunden später schon wieder völlig vergessen habe. Wenn ich spreche, vergesse ich oft einen Teil dessen, was ich sagen wollte. Selbst unter Freunden. Wenn ich einen Vortrag halten muss, verschluckt die Aufregungen immer gern einen Teil von dem, was ich eigentlich erzählen wollte. Wenn ich lese, denke ich weniger, sondern … spüre. Es sei denn, ich tue es als Lektorin. Dann muss ich sehr bewusst mein Gehirn einschalten. Auch das kann ungeheuer intensiv werden. So sehr, dass ich es selten länger als drei Stunden am Stück aushalte. Ich glaube übrigens, ich denke fast immer in „druckfertigen Sätzen“. Hat eine Freundin mal – ziemlich erschrocken – festgestellt. Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber es kann durchaus so sein.

All das war und ist gleichzeitig auch ziemlich verwirrend. Für mich wie für andere. Sprache und ich, das ist die klassische Inselbegabung. Ich liebe meine Insel, so viel steht fest. Doch das hat mich auch immer schon in Schwierigkeiten gebracht. Mathe sechs, Deutsch eins. Kein Scherz. Leider. Irgendwie war ich – in vielerlei Hinsicht – immer „anders“. Und das Wort Dyskalkulie, bzw. die Bedeutung dahinter war zu meinen Schulzeiten vollkommen unbekannt.

Wie alle, die „anders“ sind, habe ich viel zu lang versucht, genau das nicht zu sein. Hier kommt nun auch das Älterwerden ins Spiel. Eine der befreiendsten Erkenntnisse meines Älterwerdens ist der Satz: „Ich muss das nicht. Nicht mehr.“ Der begleitet mich jetzt schon seit gut fünfzehn Jahren. Mindestens. Ich muss mich nicht mehr allen Menschen verständlich machen. Doch natürlich würde ich es trotzdem gern … Kommunikation eben.

Dieses „ich muss das nicht, nicht mehr“, gipfelt für mich in der Erkenntnis, dass ich niemanden überzeugen muss. Weil ich es ohnehin nicht kann. Weil ich es gar nicht will. Denn wir haben alle eine eigene Sprache. Dinge möglichst verständlich machen, möglichst verständlich sagen oder schreiben – das ja. Unbedingt sogar. Aber so, dass wir auch mal sagen können: „Okay, ich habe verstanden. So siehst du das also.“ Dieses Verstehen, das gehört für mich zum Spannendsten überhaupt.

Und manchmal bin ich auch ein bisschen arg langsam. Da dauert es eine Weile, bis der „Groschen gefallen“ ist. Dank meines Hangs zu „druckfertigen Sätzen“ kann es sein, dass mir Tage später ein Satz wieder ein- oder auffällt, den jemand in einem Gespräch gesagt hat. Und plötzlich macht es „Klick“. Dann erst habe ich den Satz verstanden. Geschieht aber viel zu selten.

Merkt ihr was?

Das alles, was ich hier schreibe, hätte ich nie und nimmer in einem Gespräch so sagen können. Viel zu sprunghaft, zu assoziativ, manchmal lückenhaft … Aber hoffentlich trotzdem verständlich. Jedenfalls bemühe ich mich um Präzision.

Das alles geht NUR, indem ich es aufschreibe.

Meike hat nach unserer Motivation für das Schreiben gefragt. Ich bin mal ganz vermessen und antworte: Zum Schreiben brauche ich keine Motivation. Schreiben ist für mich eine Notwendigkeit. Schreiben ist DIE Kommunikation, die ich brauche. Kann ich ganz und gar allein mit mir, schlimmstenfalls ohne Brille, fast völlig blind, sogar noch mitten in der Nacht und ohne Licht … Ja, so habe ich schon Zeilen aufs Papier gebracht. Und ahnte immerhin am nächsten Morgen noch, was ich damit sagen wollte. Oder ich schreibe für Meike, für euch – so wie jetzt. Oder ich schreibe ein Buch – von dem ich weiß, dass es veröffentlicht wird. Oder ahne, dass es in einer Schublade landen wird. Das tut mir dann immer nur um die Protagonisten leid, die ich in die Schublade lege. Um nichts sonst. Denn ich weiß, dass derart viele Geschichten in meinem Kopf stecken … Da muss ich an nichts sparen.

Genau: Schreiben kann im völligen Übermaß passieren. Oder sehr strukturiert, minimalistisch und knapp. Ich kann es steuern, werde nicht unterwegs was vergessen. Und wenn doch, kann ich es später nachtragen, kein Problem. Wenn ich was nicht verstanden habe, kann ich es nachlesen. Und dann vielleicht doch noch verstehen. Und das passiert mir manchmal sogar bei Dingen, die ich selbst geschrieben habe. Wenn ich einen Text veröffentlicht habe, merke ich – hoffentlich! – an den Nachfragen und Bemerkungen dazu, was, ob und wie es verstanden wurde. Nicht selten reagiere ich darauf, indem ich einen neuen Anlauf nehme. Und die Perspektive wechsle, anderswo ansetze, einen Schritt zurückgehe … Egal, was ich dann tue – wichtig ist mir, dass ich reagieren kann.

Die alte Weisheit, dass „Geschriebenes bleibt“ habe ich übrigens immer schon in diesem Sinn verstanden: Es ist nicht in Stein gemeißelt, es kann immer wieder hervorgeholt, neu interpretiert, gelesen, gesehen, gehört werden. Finde ich fantastisch! Denn meistens ändert sich ja gar nicht das Geschriebene, sondern unsere Haltung dazu. Und ein Text wird das nie übelnehmen, im Gegenteil: Er redet dann vielleicht neu und ganz anders zu/mit uns.

Schreiben ist MEIN Weg der Kommunikation

So paradox es vielleicht klingen mag, musste ich trotzdem erst mal lernen, dazu zu stehen. Darum habe ich oben ein paar Punkte erwähnt, die zeigen sollen, warum ich mich manchmal als „extrem“ oder „anders“ betrachte. Ganz wichtig: Ich denke nicht, dass ich damit auch nur ansatzweise allein oder gar „besonders“ bin. Ganz und gar nicht. Jeder und jede von uns hat da einen eigenen Weg. Ich nenne es unseren Eigensinn: Das, was in uns steckt. Das, was wir entdecken, für uns akzeptieren, freilegen, betonen, in den Fokus stellen sollten. Was uns wichtig ist, was uns ausmacht, was uns ganz und gar zu eigen ist. Was nicht verhandelbar ist. Worin wir unseren Sinn sehen. Und zwar gern „mit allen Sinnen“.

Tatsächlich ist das Schreiben für mich eher eine Art „Sinn“ – und zwar als Sinn in sich, als Sinnesreiz, als gelebte Sinneswahrnehmung. Sehen – hören – riechen – schreiben. So ähnlich …

 


In eigener Sache

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In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Aber auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch.
Beide Bücher auf einen Blick – und auch zum Bestellen – im Shop der Autorenwelt hier. Aber natürlich auch überall sonst, wo es Bücher gibt.


 

Ein Gedanke zu „Sehen – hören – riechen – schreiben. Oder: mein #schreibwarum

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