Blick zurück nach vorn. Eine Liebeserklärung an Oostende

Blick zurück nach vorn. Eine Liebeserklärung an Oostende

Alles begann in den achtziger Jahren. Da saß ich voller Vorfreunde nächtelang im Zug, um von Stuttgart an die belgische Nordseeküste zu kommen, fast 700 Kilometer nach Oostende, der einzige durchgehende Zug fuhr um Mitternacht ab Stuttgart.

Für mich war das eine andere Welt: die Fähren nach Dover verkehrten noch regelmäßig – riesige Pötte am Horizont, und in den Straßen echte Matrosen in weißen Uniformen…. Es gab Touristen und Durchreisende, manches war dreckig, vieles aufregend, kosmopolitisch – für damalige Verhältnisse. Die Wellen, die an die ewig lange Promenade klatschten, kamen mir höher vor als sonstwo und der Strand war bei Ebbe breiter als auf manchen Südseebildern…..

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Als ich dann ins Rheinland zog, war der Weg nur noch halb so weit. Und ich verstehe bis heute nicht, warum so viele Rheinländer noch nie in ihrem Leben an der belgischen Küste waren. Sicher, die Niederlande sind auch schön. Aaaaber: Nirgendwo gibt es so konzentriertes Seebad-Feeling wie an der kurzen belgischen Küste. Die ist so kurz, dass sogar eine Straßenbahn von der niederländischen bis zur französischen Grenze fährt. Naja, wenigstens fast. 14 Badeorte liegen da wie Perlen hintereinander. Und jeder ist anders.

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Meine Lieblingsperle war von Anfang an Oostende. Und ist es bis heute geblieben. Die Stadt hat für mich genau die richtige Mischung aus Urlaubsstimmung (Strand!), City-Leben, belgischer Jugendstil-Architektur, Kunst, Hafenleben, Tourismus und ganz normalem Stadtleben. Ja, die Architektur an der Küste nennen manche scheußlich. Aber, hey: Da gibt’s ganz viele Appartements – die sich auch mieten lassen. Außerdem: Wenn man genauer hinschaut, sieht jedes Haus anders aus. Und kaum eins ist höher als 10 Stockwerke…  Ich finde es schlicht verständlich, dass die Belgier das bisschen Nordsee-Küste, das sie haben, optimal nutzen wollen. Und – vielleicht nur, weil ich das so will, weil sich mir das in Gedächtnis und Netzhaut so eingebrannt hat – eine ganze Menge von „Seebad-Feeling“ der Jahrhundertwende. Aber vielleicht muss man dazu ab und an auch die alten Postkarten aus dieser Zeit anschauen….

 

Große Vergangenheit….

Die Stadt hat durchaus eine große Vergangenheit, vor allem als europäischer Überseehafen: Die Oostendse Compagnie importierte ab 1724 mit den königlichen Schiffen Adler, St. Elisabeth und St. Charles kostbare Güter aus China und Indien, ab 1781 war sie ein Freihafen der k.u.k.-Monarchie, ab 1846 verkehrten regelmäßig Fähren zwischen Dover und Oostende. Leider nur bis 2013.  Ende des 19. Jahrhunderts blühte in der „Belle Epoque“ der Seebad-Tourismus, die belgische Königsfamilie hatte immer ein Oostender Feriendomizil und die Stadt wurde zur „Königin der Seebäder“. Von 1929 bis 1939 verband sogar der Ostende-Köln-Pullman-Express das Rheinland mit der belgischen Ostseeküste und von 1894 bis 1993 gab es einen Luxuszug, der regelmäßig Wien mit Oostende verband und sogar einen Kurswagen zum Orient-Express hatte.

Entschleunigung in Oostende

Viel zu sehen….

Vieles davon ist noch heute sicht- und spürbar: Das stolze Segelschulschiff „Mercator“ liegt im Stadt-Hafen vor Anker und kann besichtigt werden. Oder die Amandine, heute ein interaktives Museum, früher DAS Schiff der Oostender Islandfischer. Dann gibt es auch noch ein Casino mit prominenten Konzerten oder Musical-Aufführungen, ein ziemlich neues Kunst-Museum, das Stadtmuseum, eine schöne, denkmalgeschützte Rennbahn, einen Stadtgarten mit liebevoll bunten Blumenbeeten und einer „Blumenuhr“, einen japanischen Garten, und einen Park voller Seen, zwei größere, unabhängige Kultureinrichtungen, große Konzerte und Musicals im Casino, kleine Glückserlebnisse in der überschaubaren Fußgänger- und Einkaufszone der Stadt, im Nordseeaquarium oder in der kleinen überdachten Shopping-Galerie,

Entschleunigung in Oostede    Oostende, www.unruhewerk.de

die wunderbare offene Wandelhalle direkt am Meer entlang, viele „königliche Spuren“, eine Menge toller Fischrestaurant am Meer, die gesamte Promenade lang immer wieder sehr viele kostenlose „Sonnenbänke“, eine kostenlose Fähre auf die andre Hafenseite, den Bahnhof quasi mitten im Hafen, alles zu Fuß immer leicht erreichbar (im Bild hier drunter: das riesige Hotel Thermae Palace.

Oostende, www.unruhewerk.de

Die Stadt ist nicht groß – rund 70.000 Einwohner, Touristen verteilen sich so, dass ich mich schon manchmal an einem Sonntag darüber gewundert habe, wie leer der Strand sein kann – und das, obwohl viele Inlands-Belgier „ihr Seebad“ grad am Wochenende gern besuchen.

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Und dann eben auch noch MEINEN Steg:

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Raus, hinaus, mitten in die Nordsee rein, mit einem der zwei Leuchttürme der Stadt am Ende. Lange Zeit für mich der schönste Steg der Welt… (naja, so sehr viele kenne ich gar nicht.) Da ist leider in letzter Zeit einiges passiert…. Wie überhaupt: Oostende ändert sich ständig. Und das macht mir die Stadt wieder sehr sympathisch. Obwohl mich manches dann auch wieder traurig werden lässt… Wie eben die Sache mit dem Steg. Am Ende des Stegs gab es nämlich auch einen Restaurantbetrieb… gut: eher Snacks als feines Essen. Aber da saß man ohnehin lieber mit einem leckeren Getränk in der Hand und starrte aufs Meer. Ich jedenfalls. Und der Steg ist inzwischen auch nicht mehr das, was er mal war… Er hat Konkurrenz bekommen, von einem zweiten Steg mit dicken, kantigen Steinbrocken…. mag ich nicht! Obwohl ich natürlich gesehen habe, wie übel die Nordseewellen der Stadt mitspielen können: Ich war über 20 Jahre lang immer wieder in Oostende, zu jeder Jahreszeit. Hab gesehen, wie die Menschen bei Sturmfluten verzweifelt Sandsack auf Sandsack türmten, meist vergeblich. Ich hab verträumt den Fähren nach Dover nachgesehen – jetzt kommt mir der Horizont vor Oostende häufig sehr leer vor. Habe mit Matrosen auf Landurlaub in Oostender Diskotheken getanzt, wunderbare Kunst auf, an und neben der Promenade gesehen, mit James Ensor über die Vergänglichkeit nachgegrübelt…. Ja: Oostende hat für mich auch was Melancholisches. Und obwohl ich viele tolle Dinge gesehen habe, die neu gebaut wurden in all der Zeit – das Promenaden-Ende zwischen Bahnhof und dem wunderbaren Matrosendenkmal zum Beispiel ist heute viel schöner als früher – so hab ich eben auch viele Dinge, die ich gern mochte, verschwinden sehen….

Entschleunigung. Sehnsucht.

Und außerdem ist der Himmel über Oostende oft so viel schöner als anderswo….

Entschleunigung in Oostende,

Was aber immer bleiben wird, sind das Seebad-Feeling, sind die unendlich langen Strände, die kleine City, die fußläufige Erreichbarkeit von allem, die königlichen Promenaden…. Es gibt noch immer genug Schönes in Oostende. Weshalb ich die Stadt nach wie vor zu meinen liebsten Entschleunigungszielen zähle… Und die Vergänglichkeit ist und bleibt Teil des Lebens. Was sich kaum irgendwo deutlicher zeigt als in einer Stadt, die man seit Jahrzehnten immer wieder regelmäßig besucht. Und nach wie vor sehr liebt.

Irgenwie hab ich immer Sehnsucht nach Oostende….

Entschleunigung in Oostende,

 

Weitere Tipps, Bilder und Infos zum Beispiel hier: http://www.visitoostende.be/de

Und dann noch das: Flandern ist ja neben den Niederlanden 2016 Gast der Buchmesse Frankfurt 2016. Dazu gibt es eine schöne neue Seite, die sich nur mit dem flämischen Aspekt dieses Großereignisses im Oktober beschäftigt: /

 

Alle Fotos: Al-Mana/unruhewerk

 


In eigener Sache: Die Trilogie des Eigensinns

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Die Trilogie des Eigensinns besteht bislang aus zwei Büchern – die sich ohne Probleme auch wunderbar getrennt voneinander lesen lassen. Macht durchaus Sinn, denn sie bilden zwar eine „Familie“, haben aber unterschiedliche Schwerpunkte. In „Mein Kompass ist der Eigensinn“ geht es darum, wie wir Eigensinn erkennen, ihn für uns entwickeln können. Aber auch darum, wo er seine Grundlagen hat, welche Vorbilder ich gefunden habe – und wie er uns helfen kann. Als Kompass zum Beispiel. Oder beim Schreiben von (eigenen) Büchern.
In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Aber auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch. Und trotzdem hat dieses Buch ganz klar im Untertitel stehen: „kein Schreibratgeber“. Damit möchte ich klarmachen: Mit dem „Gießkannenprinzip“ sollte hier nicht gerechnet werden!
Beide Bücher auf einen Blick – und auch zum Bestellen – im Shop der Autorenwelt hier. Aber natürlich auch überall sonst, wo es Bücher gibt.


 

10 Gedanken zu „Blick zurück nach vorn. Eine Liebeserklärung an Oostende

    1. Lieber Herr Schimmang,

      meine Liebe zu Oostende ist so groß, dass ich wirklich alles lese, was mir dazu in die Finger fällt. Darum kenne ich natürlich auch Ihr Buch!

      Es ist ein guter Einstieg für alle, die sich der Stadt noch etwas skeptisch nähern. Durchaus eine Buchempfehlung. Wäre es von mir, wäre sicher noch mehr Begeisterung dabei. Aber ich weiß schon: Viele Menschen erschrecken dadurch eher. Darum geht es mir sehr gut mit diesem Buchtipp.

      Herzlichen Gruß
      Maria Al-Mana

  1. So ein wunderwunderschöner Artikel und Bilder! Da bekomme ich richtig Lust mal Oostende zu besuchen! Mein Mann, er stammt aus Oberhausen, erzählt auch immer wieder mal davon. Danke liebe Maria!

    1. Liebe Sonja, na das wärs doch!!! Wir treffen uns mal in Oostende! (Bäh, sitz wieder an meiner blöden Tastatur ohne größer/kleiner… Also denk dir bitte ein Herzchen…)
      Herzende Grüße
      Maria

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