Der falsche Karl Valentin … Ein empfehlenswerter Roman

Der falsche Karl Valentin … Ein empfehlenswerter Roman

Neulich erst schwärmte mir jemand vor, wie toll er die Fernsehserie „Oktoberfest 1900“ fände (mehr dazu hier.) Ich gebe zu: Ich habe nur eine Folge davon gesehen, und die auch nur mit halbem Auge … Was ich trotzdem genau weiß: Mir war das alles zu laut, zu reißerisch. Und während ich das zu erklären versuchte, stand in meinem Hinterkopf ständig Karl Valentin. Komisch? Nö, gar nicht! Denn erst vor kurzem hatte ich ein Buch zu Ende gelesen, das ich einer Facebook-Freundschaft verdanke. Das geht manchmal ganz einfach:

Der Autor

Martin Mayer fiel mir immer wieder durch all seine freundlich-unaufgeregten Facebook-Einträge auf. Mir war schnell klar: Der Mann schreibt auch. Viel mehr wusste ich über ihn nicht. Was vielleicht ganz gut war. Denn dass er mal Staatsanwalt und Richter war, hätte nicht unbedingt in mein Bild von ihm als neu- und wissbegieriger, eher vorsichtiger Mensch gepasst, der ganz offensichtlich auf dem Weg war, Autor zu werden. Von seinem bisherigen Berufsleben erfuhr ich also erst, als „Der falsche Karl Valentin“ erschienen war. Das ich sofort kaufte. Denn in diesem Fall hatte die Präsenz des Autors  auf Facebook dazu beigetragen, ihn mir sympathisch werden zu lassen. Da habe ich schlicht mal wieder auf das berühmte Bauchgefühl gehört. Und habe es nicht bereut. Denn dieser Erstlingsroman ist so ganz anders als das reißerische Oktoberfest: viel ruhiger, oft regelrecht liebevoll, mit einem feinen Blick auf Menschen und deren Lebensgefühl. Trotzdem ist der Vergleich nicht völlig schief, denn TV-Film wie Buch spielen beide in München, legen großen Wert auf die Vermittlung des Lebensgefühls in dieser Stadt – einmal 1900, und im Fall von Karl Valentin 1926 .

Die Geschichte

Im Grunde ist die story des falschen Karl Valentin eine ganz und gar aberwitzige Geschichte. Die ebenso gut wahr wie erfunden sein kann, ich habe mir gar nicht erst die Mühe gemacht, das zu überprüfen. Denn wenn ich lese, lasse ich mich gern in „Zwischenwelten“ entführen. Kann es wirklich sein, dass eines Tages ein halbdeutscher, halbreicher, halbseidener Mann aus den USA mit dem festen Vorsatz nach München aufbricht, dort den berühmtesten „Knötterich“ Bayerns zu doubeln, so zu tun, als sei er ganz und gar Karl Valentin, auch noch an den Spielstätten aufzutreten, die der mal im Blick hatte?

Die Sprache

Für das Wort „Knötterich“ entschuldige ich mich – das hab ich schlicht erfunden, denn das ist genau das, was mir der Sprachduktus von Karl Valentin vermittelt. Wer dessen Sprache im Ohr hat, weiß vielleicht, was ich meine … Und ich betone das vor allem deshalb so, weil es Martin Meyer rundum gelingt, dieses „Knöttern“ in allen Teilen des Buchs, die von Karl Valentin handeln, eins zu eins wiederzugeben. Das ist für mich  mal wieder so ein Wunder, das beweist, was Sprache alles kann … Konkreter: Wie gekonnt Martin Mayer mit ihr umgeht. Nicht nur das: Überall wird deutlich, dass wir nicht im Jahr 2020 sind – und die Menschen darum auch eindeutig anders sprechen, denken … Etwa so: „‚Bist du parat?“, fragte sie schließlich, verunsichert und eher zu sich selbst als zu ihm. Schweigen. Liesl drehte sich nach ihm um. Er saß bühnenreif, aber regungslos auf einem Schemel, wie ein Kutscher, der ein Nickerchen macht. Auch das noch. Liesl rang die Hände. Sie hatte ihn beim Üben gestört.“

Die Verhältnisse

Was Karl Valentin da übt, ist Autogenes Training. Und wird vielleicht nicht gegen alle, aber gegen manche seiner Malaisen helfen: die Angst vor dem Reisen und Vergiftetwerden, seinem Asthma, seiner Hypochondrie, seinem Lampenfieber. Nur gegen eines sicher nicht: gegen sein ungeklärtes, unerklärliches Verhältnis zu Liesl Karstadt, dem Fräulein, wie er sie sehr zu deren Ärger ständig nennt. Dieses Fräulein,  das er höchstwahrscheinlich liebt, dem er aber nie zu nah kommen möchte … So ähnlich. Auch das finde ich großartig: Das Verhältnis zwischen Valentin und Karlstadt wird immer wieder thematisiert, aber nie völlig geklärt. Vieles bleibt in der Schwebe, wenngleich stets absolut klar ist: „Karlstadt war der Keil auf dem Klotz, der Hebel, Valentins Lindenblattstelle“ – das ist eine Feststellung seines Widersachers, des falschen Karl Valentin. Und wie die Geschichte zwischen dem echten und dem falschen Karl, Liesl und ihren Liebhabern, den Reisen und/oder Festsitzen in München ausgeht, das verrate ich nicht.

Das Buch

Müsst ihr schon selbst nachlesen. Ich jedenfalls fand es äußerst vergnüglich. Manchmal skurril, manchmal ein wenig um die Ecke gedacht … Aber ich glaube: Wer Karl Valentin mag, dem dürfte das gefallen. Denn ganz ähnlich so habe ich mir den großen Münchner Komiker auch immer vorgestellt.

Erschienen ist es im Gmeiner Verlag, hier. Dort kann man es kaufen – wie auch überall sonst, wo es Bücher gibt.

Geschrieben von

einer Frau, die Bücher liebt, dabei hilft, sie auf die Welt zu bringen und mittlerweile auch selbst schreibt: Maria Al-Mana, die Buchhebamme mit Eigensinn.

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