#Ran ans Alter! Lisa Frohns „Alterskultur“ ist eine Anstiftung…. Leseaufruf!
Ich habe letzte Nacht ein Buch gelesen, das war eigentlich gar kein Buch. Das war Kopfwäsche, Großreinemachen, Orkan, Vision im Vorbeifliegen, Manifest. Aber letzten Endes habe ich mir das wohl auch ein bisschen selbst eingebrockt…. Irgendwie. Seit 2015 steht mein eigenes Mini-Manifest hier auf der Seite: „Diese Seite ist für alle, die …“ Und exakt im gleichen Jahr hat Lisa Frohn ihr Buch #Ran ans Alter veröffentlicht. Ja, uns treiben ähnliche Dinge um. Fragen, Zweifel, neue und alte Erkenntnisse, Einsichten.
Aber wo ich grade mal elf Gedanken zu meinem Thema „älter werden und sichtbar bleiben“ äußere, hat Lisa Frohn mindestens 1.500 Betrachtungen, Überlegungen, Fragen, Fragen und Fragen in diesem Buch arrangiert. Kein Eintrag hat mehr als 140 Zeichen – ja: Es sind alles tweets. Und das Wort „arrangiert“ habe ich bewusst geschrieben. Würde man das Ganze allein unter dem Alters-Aspekt sehen, käme man kaum umhin, sich heftig zu wundern: Wie kriegt man es mit dieser kurzen, kurzlebigen, ehemals sehr „jungen“ Form hin, ein Buch zu schreiben, das eigentlich gar keine Handlung hat, eine wirklich unglaubliche Dramatik entfaltet – und das auch noch zum Thema Alter?!
Zwiegespräch mit Eselsohr….
Für mich ist es großartig. Es entfaltet einen irren Sog. Mir schwirrt der Kopf, mein Exemplar sieht schrecklich aus. Das wimmelt nur so von Kreuzen, Kringeln und Eselsohren. Sorry… aber das mache ich immer so. Ich finde, Bücher dürfen leben. Denn ich rede ja auch mit ihnen. Je mehr Kringel und Eselsohren es nachher hat, desto besser war unser Gespräch. In diesem Fall: sehr gut!
Andrerseits aber: Das hier ist mein dritter Anlauf, dieses Zwiegespräch zwischen mir und Buch jetzt auch noch in einen eigenen Text zu bringen. Es ist nämlich so: Es kribbelt in mir. Heftig. Ich will jetzt gar nicht schreiben, will lieber sofort loslegen…. Wo ist der nächste öffentliche Ort, an dem wir uns treffen können?
„Gesellschaftlich wirksames Altwerden“
Nein: Das ist wirklich kein Buch. Es ist eine Anstiftung. Brandgefährlich, wenn man’s genau betrachtet. Ein Revolutionsaufruf… Zur Revolution der Alten. Es macht eigentlich gar keinen Sinn, aus den Einträgen zu zitieren, denn was dabei in jedem Fall verloren geht, ist die Dramatik, die sie – alle hintereinander weggelesen – ergeben. Das muss Lisa Frohn wirklich erst mal jemand nachmachen!!!
Ich versuche es trotzdem: „Je länger ich an diesem Text schreibe, umso klarer wird, dass es um gesellschaftlich wirksames Altwerden geht.“ Mindestens! Es geht auch um die (Rück-)Eroberung der öffentlichen Räume durch und für „Alte“! Um das Wort „alt“ an sich, um die Fragen, ob jede Veränderung auch gleichbedeutend mit Entwicklung ist, ob man sich im Alter überhaupt noch entwickeln kann und „darf“; darum, ob es überhaupt etwas gibt, was „Alte“ nicht „dürfen“, ob sie immer noch auf dem Status des „Erwachsenenseins“ beharren müssen – oder ob es nicht eine weitere Lebensphase gibt, die einfach nur noch keinen Namen hat. Ja, es geht auch um den Tod. Um Verlangsamung und die Frage, ob „Nichtwissen“ nicht vielleicht der viel bessere Weg statt ewigem Besserwissen ist…. Ach, das sind einfach nur ein paar der Fragen, die sich in meinem Kopf festgesetzt haben.
Und dann natürlich noch die Sache mit dem Konsum, unserer angeblichen Bedürftigkeit und dem Wirtschaftsfaktor, den wir dadurch zweifelsohne darstellen: „Wir Alten produzieren sozusagen mit Bedürftigkeit und generieren mit Nichtmehrkönnen Arbeitsplätze.“
„Die Alten“ könnten ein echter „Machtfaktor“ sein….
Der eigentliche „Revolutionsaufruf“ aber besteht in Frohns Forderung nach einem Verständnis von „Altenkollektiv“ – das einerseits unsere 50 Jahre und länger gelernte/gelebte Individualität berücksichtigen muss. Andererseits sind wir eine „Masse“ – allein schon aufgrund unserer Zahl. Das hat sich niemand ausgesucht. Diese Masse aber tut alles, um eben kein Kollektiv – und damit „Machtfaktor“ – zu werden. Macht im Sinne von Selbstbestimmtheit, Mitreden, Präsentsein, eigene Räume haben, ein Wir-Kollektiv-Gefühl entwickeln…. Statt dessen tauchen die Mitglieder dieser Masse ab ins Privatleben, in die Vereinzelung und „Privatisierung“….
Einsamkeit im Alter, das ist nicht neu. Aber Lisa Frohn schafft es, alle Faktoren so miteinander zu verknüpfen, dass daraus wirklich drängende Fragen entstehen. Was ist zum Beispiel mit unserem Selbstbewusstsein? „Was heißt es eigentlich, selbstbewusst alt zu sein? Heißt das nicht auch, dass wir aufhören so zu tun, als wären wir nicht alt?“ Oder das „Angewiesensein-auf-andere“ – eine Tatsache, die laut Frohn zwar durchaus real ist/wird, sich aber im Lauf der Zeit immer mehr „irgendwie aufplustert“, denn „sie geistert auch durch die Köpfe derer, die sich beruflich mit uns beschäftigen.“ Wenn das Ganze dann in „Hilfebedürftigkeit“ endet, ist zum einen der letzte Rest an Selbstbewusstsein beim Teufel, zum anderen sind „die Alten“ endgültig zum Rohstoff des „Altenbusiness“ geworden.
„Was also wollen wir? Schön brav sein? Damit man uns gut verwalten kann?“
Und:
„Nehmen wir die Macht an? Oder gehen wir shoppen?“
Bitte: lesen. Und dann weiterreden, ja?
So, ich höre jetzt auf. Ja, das Buch hat mich gepackt. Ich war drauf und dran, alle 180 Seiten zu zitieren. Tu ich natürlich nicht. Aber ich bitte euch sehr: Lest es selbst!!!
Wenn ihr aufgrund meiner Zitate denken solltet, Lisa Frohn will plakativ provozieren, versichere ich euch: Nein, das tut sie ganz und gar nicht! Sie fragt auch nach ganz leisen, langen, langsamen, liebevollen Dingen, spricht von Biografie und Sehnsucht, von Liebe, Zärtlichkeit. Und dem Lächeln an der Supermarktkasse…
Bitte, lest selbst!
Und dann unterhalten wir uns weiter drüber, ja? Ich möchte wissen:
- Wie geht es euch nach dem Lesen?
- Was fühlt, was denkt ihr?
- Wo hat Lisa Frohn Recht, wo vielleicht nicht?
- Welche ihrer Fragen treiben auch euch um?
- Was ist Alterskultur für euch?
Das Buch
gibt es als paperback oder E-Book, Preise und Bezugsmöglichkeiten hier.
In eigener Sache
Die Trilogie des Eigensinns besteht bislang aus zwei Büchern – die sich ohne Probleme auch wunderbar getrennt voneinander lesen lassen. Macht durchaus Sinn, denn sie bilden zwar eine „Familie“, haben aber unterschiedliche Schwerpunkte. In „Mein Kompass ist der Eigensinn“ geht es darum, wie wir Eigensinn erkennen, ihn für uns entwickeln können. Aber auch darum, wo er seine Grundlagen hat, welche Vorbilder ich gefunden habe – und wie er uns helfen kann. Als Kompass zum Beispiel. Oder beim Schreiben von (eigenen) Büchern. Lisa Frohn kommt hier übrigens auch vor …
In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Aber auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch.
Beide Bücher auf einen Blick – und auch zum Bestellen – im Shop der Autorenwelt hier. Aber natürlich auch überall sonst, wo es Bücher gibt.
7 Gedanken zu „#Ran ans Alter! Lisa Frohns „Alterskultur“ ist eine Anstiftung…. Leseaufruf!“
nur 2 „Bloggern gefällt das – wie ich sehe, also sind sie sicherlich nicht von solchen Fragen befallen, also noch nicht alt genug“.
diese Ausführungen finde ich hochinteressant, die Gedanken dazu beflügeln mich lassen mich weiterdenken – rein ins Thema das überhaupt nicht alt, sondern sehr jung ist –
alt ist der, der sich keine Gedanken darüber macht…
ich werde nicht nur hineinschauen, wenn ich es bekomme, – werde ich es lesen…
und dann..
ja dann
vielleicht auch etwas dazu und darüber schreiben…
vielen Dank für die Anregung..
angelface
Ach ja, das mit den Sternchen und dem „Gefallen“… Hier handelt es sich ja nur um wordpress-Blogger/innen. Es gab durchaus noch weitere Interessierte… Ich bleibe optimistisch! Aber auch hier gilt das, was ich grade zum Motto meiner Aktivitäten machen möchte: Wir bewegen uns „zwischen allen Stühlen…“ Da ich mich dort ziemlich wohl fühle (und es zeitlebens eigentlich gar nicht anders kenne…), bleibe ich gerne dabei. Und lass mich auch nicht irritieren, wenn es so aussieht, als ob wir uns auf einer „einsamen Insel“ treffen würden – ich liebe Inseln!
Danke jedenfalls für die Rückmeldung – und ich bin sehr gespannt auf weitere Kommentare!
Mit herzlichem Gruß
Maria