Normalität ist etwas sehr Fragiles

Normalität ist etwas sehr Fragiles

Derzeit komme ich mir oft vor, als würde ich langsam aus einem laaangen Alptraum aufwachen … Ja, auch Alpträume haben immer schon zur „Normalität“ gehört – oder etwa nicht? Da fängts ja schon an! Wie definieren wir eigentlich Normalität? Das möchte ich hier gern mal annäherungsweise versuchen – und fände es wunderbar, wenn ihr das um eigene Gedanken ergänzen könntet ….

Ich mache mir meine Normalität selbst: durch Routinen

Dass sich während Corona viele der Routinen, die ich mir als Selbstständige für die eigenen Arbeitsbedingungen geschaffen hatte, aufgelöst haben, gehört zu den Dingen, die stark dazu beigetragen haben, dass ich das Gefühl hatte: Normalität gibt’s gar nicht mehr! Alles ist aus den Fugen, seltsam irreal und kaum zu packen. Haben beispielsweise meine Newsletter-Abonnentinnen und -Abonennten ganz direkt zu spüren bekommen. Früher kam er einmal monatlich. Jetzt nur noch, wenn ich merke: Ich habe was zu sagen, das für mich wie für euch Sinn macht.

Nicht alles, was „Normalität“ verändert, muss schlecht sein

Bleiben wir mal beim Beispiel Newsletter. Inzwischen frage ich mich nämlich, ob er wirklich einmal monatlich erscheinen MUSS. Antwort: nö. Ich bleibe dabei, ihn nur dann zu verschicken wenn ich das Gefühl habe, dass ich euch was erzählen möchte. Damit habe ich mich aus einem kleinen Teil des Korsetts befreit, von dem ich dachte: „Das muss sein, ihr solltet regelmäßig von mir hören …“ Warum eigentlich?

Mittlerweile glaube ich: Wenn „Normalität“ zu einer unhinterfragten Routine geworden ist, dann ist es ganz gut, sich mal nach dem Warum, nach dem Sinn des Ganzen zu fragen … Führt übrigens auf direktem Weg in den Eigensinn. So, wie ich ihn verstehe: „Normal“ sollte nur sein, was für mich wie für andere Sinn macht.

Normalität verändert sich ständig

Das beginnt schon beim Begriff selbst. Früher habe ich das Wort so gut wie nie benutzt. Wenn es mal doch sein musste, habe ich „Normalität“ in Anführungszeichen gesetzt. Denn ich wusste immer: DIE Normalität gibt es gar nicht!

Im Corona-Prozess kam ich plötzlich kaum mehr drumrum, mich immer mal wieder zu fragen: Was ist deine Normalität, was meine – und wie verändern die sich gerade? Vielleicht haben wir aber auch gar nicht „Normalität“ gemeint, sondern etwas scheinbar viel Einfacheres: unseren Alltag. Der natürlich auch alles andere als einfach ist, ständig neue Entscheidungen braucht. Und – für mich zumindest – halbwegs verlässliche Strukturen. Routinen eben. Und die haben sich in den letzten zwei Jahren mehr als verflüchtigt.

Das ist der Punkt, an dem meine Alpträume begonnen haben: Hilfe, ich kann das alles gar nicht mehr steuern! Unsicherheit, manchmal sogar Angst waren die Folgen. Und ich hatte dabei ständig im Hinterkopf: Das geht ja vermutlich den meisten Menschen ähnlich! Das hat mich gelähmt, so was wie Kreativität war kaum noch möglich … Ganz große Sch…!

Manchmal hilft auch: Mach einfach!

An einigen Punkten habe ich – zu meinem eigenen Erstaunen – dann doch ganz stur gemacht, was ich grad für sinnvoll hielt. So ist etwa der Header des Newsletters endlich überarbeitet worden. Dann habe ich die Wortmarke Buchhebamme schützen lassen – denn das bin so sehr ich, das brauchte eine Art Schutzschild. Fühlt sich jetzt richtig gut an!

Es gibt derzeit vier Menschen die mit meiner Hilfe ein eigenes Buch schreiben. Auch die „machen einfach“ – trotz oder gerade wegen Corona. Und ich bin glücklich dabei, wenigstens ein paar andere Menschen in diesem „Mach einfach!“ unterstützen zu können. Wenn die Bücher erschienen sind, stehen sie – wie immer – hier.

Normalität voraussetzen? Geht gar nicht!

Letzten Endes ist meine Haupterkenntnis aus dem Corona-Prozess uralt: Du kannst nie zweimal in den gleichen Fluss steigen. Alles ändert sich ständig – mit oder ohne Corona. Was wir als „Normalität“ empfinden, ist eine fragile Angelegenheit. Bei mir wie bei allen anderen Menschen. Ich bin während der Pandemiezeit in gewisser Weise noch dünnhäutiger geworden als sonst oft. Vieles kam mir plötzlich bedrohlicher vor als vorher. Wo früher Routinen ein wenig Schutz boten, war plötzlich nichts mehr. Aber vielleicht hätte ich diese Routinen ohnehin schon lang mal hinterfragen sollen … Es ist nie leicht, Altbewährtes aufzugeben. Aber oft macht genau das ganz viel Sinn.

Text: Maria Al-Mana


Und wie ging/geht es euch so? Gibt es eine Art neuer oder alter „Normalität“ für euch? Wie sieht die aus? Kommentare immer willkommen …

4 Gedanken zu „Normalität ist etwas sehr Fragiles

  1. Vielen Dank für Deine Gedanken, die zum Mitdenken anregen.
    Leider, leider wird die Diskussion nicht öffentlich geführt, was gut und schlecht war im „alten“ Normal.

    Mir fehlen Berührungen, Umarmungen, Nähe, lautes Singen in Gemeinschaft, lautes Lachen ebenso … also die Freude, die Lebensfreude, die Gemeinschaft, die Ungezwungenheit oder Zwanglosigkeit, dass einfach Losgehen, wohin auch immer … die früher wenigstens immer wieder aufblitzten. Die uns gut taten. Die uns am Leben hielten.

    Besuche ich meine alte Mutter (88), was ich wöchentlich tue, mit 1-2 Übernachtungen – wohne 120 km entfernt – dann zeigt sie mir ganz deutlich ihre Sehnsucht nach all dem … und wir leben es einfach so, zusammen.

    Wir wissen uns in Gottes Händen gut geborgen, wissen, wohin die Reise geht, am Ende unseres Lebens, und leben abschiedlich, im Angesicht des Todes, der immer schon jede Sekunde eintreffen konnte … habe genug Menschen beerdigt, bei denen es genauso war.
    Leben im Angesicht des Todes, Auge in Auge.
    Lebensfreude versprühen und Hoffnung.

    Gott gab uns Atem, damit wir leben!

    Und sie führt alles zu einem guten Ende …

    Liebe Grüße
    Hille

  2. Schöner Text!
    Tja, was ist Normalität? Gerade fehlt mir da auch eine Antwort.

    Ich denke, die Angst, die du erwähnt hast, spielt bei vielen, bewusst oder unbewusst, eine ganz große Rolle.
    Ausgelöst dadurch, dass das „Alte“ wackelt und von dem „Neuen“ hat man nicht so die Ahnung, wie es aussehen kann und wird.
    Und was noch dazu kommt- ganz wichtig – plötzlich keine Kontrolle mehr zu haben.
    Ich finde, das hat diese Pandemie deutlich gezeigt. Da passieren Dinge, die außerhalb meiner Reichweite liegen, Dinge denen ich keinen Rahmen geben kann. Ja, die ich vielleicht noch nicht einmal begreifen und erklären kann.
    Und dann schwimme ich, ohne einen Halt oder ein Ufer zu sehen.
    Mein Vertrauen ins Leben ist gefragter denn je.
    Das suche ich gerade.
    Und so ist diese Suche tatsächlich schon ein kleines bisschen Normalität geworden.

    1. Hallo Katja,

      herzlichen Dank für deine Reaktion. Ja, was du beschreibst, kenne ich auch alles. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner „Suche“! (Wenn sich Dinge in Bewegung setzen, lässt sich allein das oft schon als Erfolg sehen … Finde ich jedenfalls.)

      Viele Grüße
      Maria

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