Gelebte Kreativität, Natur-Seminare, berufliche Erfüllung…. Zamyat M. Klein im Interview
In letzter Zeit habe ich ja fast nur über den beruflichen Neustart 50plus geschrieben… Die kleine Serie geht weiter, versprochen. Doch ich will auch Mut machen, Wege und Menschen zeigen, bei denen es bunt zugeht, die glücklich sind. Dafür ist Zamyat die Idealbesetzung: Erstens lebt sie selbst ganz praktisch vor, wie es gehen kann – ich würde sagen: geradezu perfekt! Und zweitens bietet sie Seminare an, bunt und in wunderschöner Umgebung, in denen man zum Beispiel lernen kann, sein Leben mit 60plus kreativ zu planen – wann, wenn nicht jetzt? Oder ganz einfach, MEIN Leben zu leben. Sie bietet Einzel-Coachings oder den Orient-Express zur beruflichen Erfüllung an, ist Trainerin für alle, die selbst Online-Trainer werden möchten, fast 20-fache Buchautorin, Seminarleiterin und… ach, lest selbst!
Wenn du heute deine Biografie schreiben würdest, welchen Titel würdest du wählen? Und was wären die wichtigsten Kapitelüberschriften?
Ein buntes Leben
- Ich wollte ein Junge sein
- Rebellisch
- Immer in Gruppen
- Ich kann ja doch was – Erste Schritte ins Berufsleben
- Selbständigkeit und Stärken entdecken
- Die Wüste ruft
- Ich kreier mir meine Arbeit
- Burn-Out und zurück
- Natur und Weitblick
- Online unterwegs
- Doppeltes-Leben in der Türkei und in Deutschland
Mit Blick auf das Älterwerden – welches Projekt beschäftigt dich zur Zeit am meisten?
Aktuell stehen zwei Projekte im Mittelpunkt: Einmal meine OAZE – Online-Akademie mit der Online-Trainer-Ausbildungen, die ich dort anbiete. Mein Ziel ist es, dass diese Trainer dann auch in meiner Akademie Seminare anbieten und sie so immer mehr wächst. Ich habe sie komplett nach meinen Bedürfnissen gestalten lassen und mir macht die Arbeit sehr viel Freude. Damit ich im Alter auch noch darüber Geld verdienen kann, ohne so viel herumreisen zu müssen zu Präsenzseminaren.
Das andere Projekt sind meine Seminare in der Türkei, ganz neu dabei: die „kreative Lebensplanung mit Ü60“. Zum einen sind die Seminare dort das Schönste, was ich in den letzten Jahren entwickelt und durchgeführt habe. Zum anderen liegt es mir sehr am Herzen, auch anderen in meinem Alter zu zeigen, dass man sein Leben immer wieder umkrempeln und vor allem immer mehr so gestalten kann, dass es einem Freude bereitet. Auch, wenn man wie ich noch für seinen Lebensunterhalt arbeiten muss. Dazu gehört Mut, sich innerlich die Erlaubnis dafür zu geben und es gehören kreative Ideen dazu. Dafür bietet dieses Seminar in der Natur den idealen Rahmen.
Es heißt ja immer, der Mensch müsse sich Ziele setzen im Leben…. Siehst du das auch so?
Ich habe immer Ziele oder besser gesagt: Visionen, Träume, Wünsche, die ich dann zu konkreten Zielen mit konkreten Schritten mache. Das ist ja auch das Thema meiner Türkei-Seminare. Und ich bin selbst immer wieder überrascht, dass es tatsächlich funktioniert. So lebe ich inzwischen drei Monate im Jahr in der Türkei, das hätte ich vor einigen Jahren noch nicht für möglich gehalten, dass das geht. Und sogar gut geht! Ich brauche immer etwas, das mich antreibt im Sinne: darauf freue ich mich total. Dafür brenne ich! Ohne so ein Ziel oder Projekt vor Augen fände ich das Leben wohl ein wenig langweilig.
Wie ist das mit Energie/Selbst-Motivation/Begeisterungsfähigkeit im Lauf des Älterwerdens? Was nimmt zu, was ab?
Ich glaube, bei mir nimmt es eher zu. Als Kind und als junge Erwachsene war ich noch sehr ängstlich, hatte wenig Selbstbewusstsein (das glaubt mir heute kein Mensch mehr!), hatte Angst, in der Uni vor anderen zu sprechen etc. Umso mehr ich entdeckt habe, was ich kann und was ich gerne mache, umso mehr wuchsen auch Lebensfreude, Energie und Begeisterung. Damit schaffe ich es auch, meine TeilnehmerInnen zu begeistern und zu beflügeln, Dinge zu wagen, die sie früher nicht für möglich gehalten haben.
Was ist deine wichtigste/zuverlässigste Kraftquelle?
Vor einigen Jahren habe ich entdeckt, dass es die Natur ist, die Bewegung in der Natur. Ich habe auch viele Jahre regelmäßig meditiert, daraus habe ich auch sehr viel Kraft gezogen, doch nun bei meinen Wanderungen im Bergischen Land oder in der Türkei habe ich oft solche Glücksgefühle. Da denke ich, mein Gott, es ist so einfach! Dazu braucht man kein Geld und nichts. Man muss sich nur auf den Weg machen – buchstäblich. Als Kind war eine wichtige Kraftquelle Musik, ich bin viel in klassische Konzerte gegangen und wollte Musik studieren. Ich war auch vom 9. Lebenjahr an immer in Chören. Bei den Sufis habe ich dann das Singen und Tanzen wieder entdeckt – diese Sachen lebe ich zurzeit zu wenig aus, auch wenn ich vor einem Jahr mal angefangen habe, Didgeridoo zu lernen.
Ziemlich einhellig herrscht die Ansicht, dass (außer den körperlichen „Verfallserscheinungen“) die Einsamkeit der schlimmste Feind des Älterwerdens sei. Stimmst du dem zu?
Das ist zum Glück kein Thema für mich, obwohl es durchaus schon Zeiten gab, in denen ich mich einsam fühlte. Der Punkt ist, dass ich noch voll im Berufsleben bin und daher eigentlich nur am Wochenende Zeit für meine Freundinnen und Freunde habe. Die sind aber schon zum größten Teil Rentner und leben ein sehr anderes Leben, planen tausend Dinge, an denen ich nicht teilnehmen kann. Das hat mich eine zeitlang deprimiert, bis ich mir eine andere Strategie zugelegt habe: Ich weiß einfach, dass mir Wandern total gut tut nach einer Woche intensiver Arbeit, daher plane ich die meisten Sonntage dafür fest ein. Und gehe auch gern allein wandern. Das finde ich inzwischen oft sehr schön, denn dann wird der Kopf frei für neue Ideen. Oft kommt aber auch jemand mit, das freut mich ebenfalls. Ansonsten habe ich einfach etwas bewusster neue Kontakte gepflegt, gern mit jüngeren Menschen, oft überlappt sich das auch beruflich wie privat. Durch die Social Media ist das enorm angewachsen und immer wieder treffe ich mich auch im realen Leben mit Menschen, die ich nur über Twitter oder Facebook kannte. Sogar in der Türkei. Das finde ich klasse! Und in meinem kleinen 13-Häuser-Dorf habe ich auch Kontakte: Als ich mir mal das Bein gebrochen hatte, haben die mir bei allem möglichen geholfen, das fand ich ziemlich klasse. Oder eine Frau gießt immer meine Blumen, wenn ich in der Türkei bin, dafür füttere ich ihre Katze etc. Also, Einsamkeit ist real kein Thema. Trotzdem bekomme ich schon manchmal Ängste (so abends im Bett): Was passiert, wenn ich mal richtig krank werde? Dann ist niemand da, keine Familie, niemand. Da wird mir manchmal mulmig – und daher programmiere ich mich drauf, fit und gesund zu bleiben.
Auf welche Dinge/Leistungen/Entwicklungen/Erkenntnisse in deinem Leben bist du so richtig stolz?
Auf ne ganze Menge. Ich war in der Schule außer in Musik und Deutsch ziemlich schlecht und dachte ich bin doof. Beim Studium habe ich mich auch nur so durchlaviert mit ebenso geringem Selbstbewusstsein. Bei meinem ersten Job dann hatte ich erste Erfolgserlebnisse, aber immer noch ziemlich viele Ängste. Wenn ich sehe, was aus mir geworden ist, so bin ich darauf stolz. Denn ich habe auch viel daran gearbeitet: Therapien, sechs langjährige Ausbildungen und unzählige Fortbildungen gemacht. Das hört auch nicht auf.
Dann habe ich oft entscheidende Schritte getan, die Mut kosteten. Zum Beispiel gesagt, dass ich auch in die Lehrerfortbildung will, als nur meine Kollegen gefragt wurden. Ich habe bestimmte Jobs aufgegeben, wenn sie nicht mehr stimmten, ohne dass ich vorher eine Garantie hatte, dass dann was anderes kommt. Meine Erfahrung hat mich aber gelehrt: Wenn man da klar und konsequent ist, kommt immer etwas Besseres!
Ich bin stolz auf meine inzwischen 19 Bücher, die ich veröffentlicht habe, das zwanzigste ist in der Mache. Ebenso bin ich stolz, dass ich seit 1991 selbständig bin und ohne jede Unterstützung alleine mein Leben meistere – und das nicht schlecht! Dass ich eine eigene Online-Akademie gegründet habe (und da auch viel Geld investiert habe) und mich in meinem Alter in diesen ganzen Kram eingearbeitet habe. Dass ich immer noch weiter lerne, im Moment vor allem „technischen „ Kram, die eben mit Online-Seminaren und Produkten und Marketing zusammen hängen.
Dass ich meinen Wunsch, den ich seit Kindertagen an hatte, umgesetzt habe und zehnmal mit Beduinen und Kamelen in der Sahara war, dort sogar Gruppen geleitet habe.
Dass ich mich nach der letzten Trennung von meinem Freund alleine in die Türkei gewagt habe und damit meine zweite Heimat, mein kleines Paradies entdeckt habe, wo ich nun diese tollen Seminare und Coachings anbieten kann.
Gibt es etwas, womit du wirklich haderst beim Älterwerden? Wenn ja: Was?
Hadern weiß ich nicht. Aber bedauern schon. Wenn ich mir alte Fotos anschaue (habe neulich mal alle sortiert), da wird mir schon wehmütig zumute. Im doppelten Sinne. Was war ich früher schön – mit heutigen Augen. Und hatte damals total Komplexe weil ich „ zu dünn war“ und eben kaum Selbstbewusstsein. Hadern tu ich vielleicht ein wenig damit, dass der Körper sich ja doch merklich verändert, einige Zipperlein auftauchen. Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, dass ich im Moment fitter bin als manche Jahre früher. So habe ich bei meinem letzten Türkei-Aufenthalt gemerkt, als ich jeden Morgen sehr intensiv Yoga machte, dass ich nach einer Weile wieder Übungen machen konnte, die ich schon jahrelang nicht mehr konnte. Also kann man durchaus noch einiges trainieren. Auch bin ich besser zu Fuß als vor einigen Jahren. In der Wüste habe ich noch total gelitten bei der Karawane, heute gehe ich total gerne. Aber es tauchen schon mal Sachen auf wie Atemnot oder das Knie tut weh, der Rücken sowieso. Aber da arbeite ich auch gegen mit einem Swopper, einem höhenverstellbaren Schreibtisch, damit ich öfter stehe, jeden Morgen Yoga mache und eben wandern gehe.
Gibt es für dich „Altersweisheit“? Oder denkst du, das ist eher ein Mythos?
Ich denke, da ist schon was dran, zumindest wenn man ein halbwegs bewusster Mensch ist. Manche werden im Alter ja engstirnig und verbiestert. Aber Menschen, die noch wirklich leben, die verfügen zumindest über sehr viel Erfahrung und das kann zu so einer Altersweisheit führen. Für mich zeigt sich vor allem, dass ich im Alter wohl toleranter werde, das ist vielleicht eine kleine Unterform von Altersweisheit. Es müssen nicht mehr alle genau meine Weltanschauung, Religion, Ernährung oder was auch immer haben. Als ich früher sehr engagiert war, da sollten auch meine Freunde dann Kommunisten sein, oder Therapie machen oder meditieren oder vegetarisch essen. Das ist mir jetzt alles schnupps. Mich interessiert inzwischen nur noch, ob jemand ein netter Mensch ist oder nicht. Dabei ist es mir auch egal, ob der „gebildet“ ist, auch studiert hat oder Wurst verkauft. Ich glaube, dabei haben mir meine Reisen sehr geholfen. Meine ersten Begegnungen mit den Beduinen fand ich ungeheur beeindruckend. Die hatten höchstens vier Jahre eine Schule besucht, aber einige hatten für mich eine Herzensweisheit oder Herzensbildung, die mich zutiefst beeindruckt hat.
Welche Gedanken möchtest du heute 17jährigen Menschen (die du sehr magst) unbedingt mit auf den Weg geben?
Dass sie herausfinden sollen, was sie gerne machen und gut machen – und dass sie den Mut finden, IHR Leben zu leben, ihren Weg zu gehen. Und nicht so viel Wert darauf legen, was andere von ihnen erwarten und denken.
Dass sie die Schönheit und Vielfalt und Buntheit der Welt sehen und würdigen sollen und sich mit anderen Menschen und Kulturen auseinandersetzen und am besten zusammen setzen sollen. Um eine richtig schöne Welt zu erschaffen!
Dieses Foto stammt – wie alle auf dieser Seite – von Zamyat M. Klein. Es ist 1983 entstanden, als sie erstmals in der Türkei war – es ist ihr Lieblingsfoto. Auch ich finde es wunderschön – und bedanke mich ganz herzlich für dieses Interview bei dir, liebe Zamyat!
Wer noch mehr über Zamyats Natur-Seminare erfahren will – es muss ja nicht unbedingt die Türkei sein, vielleicht lieber ein „Kreativ-Walk“ in Deutschland? Bitte hier entlang: http://zamyat-natur-seminare.de/
12 Gedanken zu „Gelebte Kreativität, Natur-Seminare, berufliche Erfüllung…. Zamyat M. Klein im Interview“
sehr schönes Gespräch, inspirierender Bericht. Danke dafür. 🙂
Liebe Grüße, Claudia
Ach, und ich kam erst jetzt auf die Idee, auch in meinem Blog von dem Interview zu berichten und auf dein Blog zu verweisen und zu verlinken :-). Ist hiermit geschehen.
Gute Idee!!!
Liebe Maria,
vielen Dank, dass du mich auf solch eine mutige und inspirierende Frau aufmerksam gemacht hast, dich ich bisher noch nicht kannte. Tolles Interview.
Liebe Zamyat,
ich konnte mich in einigen Antworten wiederfinden. Was war ich früher ängstlich und schüchtern. Ich fand mich nie hübsch, war zu dünn und wollte nie vor Menschen sprechen. Meiner Mama muss es ähnlich ergangen sein. Wir haben ihr nie geglaubt, dass sie als junge Frau schüchtern war. Sie war so offen und hat jeden angesprochen.
Besonders gerührt haben mich die Gedanken für die heute 17-Jährigen, die ich genau so unterschreiben kann. Ich hoffe auf eine bessere und schöne Welt.
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate, das freut mich sehr! Und was uns beide nun wieder eint, ist die Bewunderung für die mutige, wirklich einzigartige Zamyat. Sie ist das alles übrigens WIRKLICH. Ich bin ihr schon im „wahren Leben“ begegnet….
Ganz herzlichen Dank!
Maria
ein richtig gutes Interview, von Anfang bis Ende ein Genuss. Alles Gute euch Beiden! Grüße aus Athen. Gerda
<3
Danke für deine Einladung zum Interview, das mir wirklich Spaß gemacht hat. Und was ich noch vergessen hatte zu sagen: Ich fand auch deine Fragen toll! Denn die sind für ein spannendes Interview genauso wichtig, wie die Antworten.
Schon alleine die erste mit den Buchkapiteln- das finde ich eine klasse Idee. Ich bin schon im Geiste dabei, eine Autobiographie zu schreiben :-). Vielleicht wäre das ja ein Übergang von meinen bisherigen Fachbüchern zu meinem heimlichen Wunsch, einen Roman zu schreiben?
Liebe Zamyat, ooo! Danke! Mir hat es auch viel Spaß gemacht. Und noch toller wäre natürlich, wenn ich damit die Initialzündung für dein Buch Nummer 21 gelegt hätte…Ich verspreche: Ich werde die Erste sein, die es kauft!
Ganz herzliche Grüße
Maria
Haha, ich glaube, das werden dann drei Bände … Meine Autobiographie. 🙂
Dann bitte mit Subskriptionsliste….