Die einfache Sprache, Umbrüche und das lebenslange Lernen
Nein, ich bin nicht gern zur Schule gegangen. Darum habe ich wahrscheinlich lange kaum verstanden, was Lebenslanges Lernen bedeuten soll. Oder was gar das Tolle daran sein soll …
Lebenslanges Lernen?!
Den Begriff habe ich zum ersten Mal in Zusammenhang mit dem Älterwerden gehört. Und dann hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich verstanden hatte, dass das Lernen in der Schule ein anderes Lernen war als das, was wir uns für das Älterwerden wünschen. Was jedenfalls ich mir für das Älterwerden wünsche. Da wünsche ich mir nämlich, dass ich nicht stehen bleibe, mich entwickeln kann. Dass ich weitergehen, neue Dinge lernen kann.
Dass ich keine verbiesterte, verbitterte Alte werde. Dass ich neugierig bleibe. Mich immer wieder auf Ungewöhnliches einlassen kann.
Inzwischen steht das Lebenslange Lernen für mich genau dafür:
- Neugierde
- vorwärts gehen
- neugierig bleiben
- Neues entdecken!
Lebenslanges Lernen ist für mich inzwischen etwas Gutes. Etwas, das ich mag. Denn ich habe ja immer die Wahl: Wo möchte ich als nächstes hin? Und auch als Selbstständige ist es kein Fehler, immer mal neue Dinge zu lernen.
Mal wieder ein Umbruch …
Wer mir schon länger folgt, kennt das bereits: Umbrüche gehören ganz offensichtlich zu mir. Und im Moment bin ich mal wieder die Anfängerin. Denn vor ein paar Tagen erst habe ich meinen ersten Kurs in Einfacher Sprache absolviert. Das war neu. In vielerlei Hinsicht. Obwohl ich eigentlich dachte, mich mit Sprache sehr gut auszukennen …
Nein, da war alles anders:
- Mache kurze Sätze.
- Besser keinen Satz, der mehr als ein Komma hat.
- Kleine Listen (wie die hier) sind gut.
- Nutze keinen Genitiv.
- Denke klar, logisch. Und versuche zu erklären.
- Erkläre alles, was schwer verständlich sein kann.
- Verliere dich nicht in endlosen Gedankenketten.
- Und vor allem: vermeide Fremdwörter!
- Vermeide alles, was schwer verständlich ist.
Die letzten zwei Punkte fielen mir leicht. Denn das predige ich schon seit Ewigkeiten. Und da spielt es für mich auch gar keine Rolle, ob ich wissenschaftliche Texte schreibe. Oder ein Buch. Oder einen Blogartikel. Ich fand immer schon: Wir sollten verständlich reden und schreiben. Vermutlich auch verständlich denken.
Verständlich denken?!
Interessanter Gedanke… Vermutlich aber auch: wichtiger Gedanke. Denn nur, wenn ich selbst verstehe, was ich sagen will, kann ich mich verständlich machen. Logisch! Manchmal kann es so einfach sein …
Doch die Einfache Sprache ist alles andere als einfach. Das braucht es viel Nachdenken:
- Wer soll den Text verstehen können? Möglichst viele Menschen.
- Wer soll den Text lesen können? Auch Menschen, die Lese-Schwierigkeiten haben – körperlicher Art. Brille, starke Kopfschmerzen, Farbblindheit- da fängt es ja schon an. Oder weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Oder, weil ihnen das Lesen immer schon schwerfiel. Mit Dummheit hat das alles gar nichts zu tun.
- Wem soll der Text nutzen? Allen. Wirklich allen Menschen.
Vom Nutzen und Eitelkeiten
Vor allem die letzten Punkte oben konnte ich dann wieder gut verstehen. Sehr gut. Denn das ist nichts Neues für mich. Sondern uralt. Schon zu Studienzeiten fand ich es unmöglich, wenn jemand zehn Fremdwörter in einem Satz mit zwölf Wörtern benutzte. Was soll das? Habe ich mich damals schon gefragt. Wem nutzt es? Klar, der eigenen Eitelkeit. Aber sonst kaum jemanden.
Lebenslanges Lernen besteht also auch darin, vor langer Zeit Erkanntes noch mal in neuem Licht zu sehen. So war das bei mir mit der Einfachen Sprache. In gewisser Weise bin ich damit wieder bei mir selbst angekommen. Bei der Studentin, die sich in der Cafeteria mindestens drei Tische außer Hörweite von denen gesetzt hat, die nur in ihrer Fachsprache redeten. Fachsprache ist genau das, was nur von wenigen verstanden wird.
Kleine Privatgeschichte: Unsere Eltern hatten Medizin studiert. Und liebten es, sich beim Mittagessen über Krankheiten, Diagnosen und Patientinnen zu unterhalten. Meine Schwester und ich verstanden kaum ein Wort. Wir waren sicher: Sie reden in einer Geheim-Sprache. Bestimmt auch, um uns auszuschließen. Wenig später haben wir unsere eigene Geheim-Sprache entwickelt. Ja, die Kommunikation in unserer Familie war und blieb extrem schlecht.
Das ist ein extremes Beispiel … Wenn Eltern die eigenen Kinder durch ihre Sprache ausschließen. Aber das Beispiel zeigt auch, wie nützlich es sein kann, sich so verständlich zu machen, dass Rücksicht genommen wird auf das Wissen, die Kenntnisse, das Verstehen-Können des jeweiligen Gegenübers.
Exakt das ist das Ziel Einfacher Sprache. Und darum finde ich den Ansatz äußerst gut. Weiß nur noch nicht, in welcher Form ich ihn weiterverfolgen kann. Und will.
Nachteile von Einfacher Sprache? Sind gar keine
Die kleinen Nachteile von Einfacher Sprache seht ihr schon gut an diesem Text hier. Vor allem diese Aufzählungen in den ersten beiden Absätzen – das bin leider gar nicht ich. Da habe ich versucht, mich an die Vorgaben der Regel für Einfache Sprache zu halten.
Wie gesagt: Ich finde den Ansatz sehr, sehr gut. Er bezieht möglichst viele Menschen ein. Stärkt damit also auch die Hoffnungen, die wir für eine ernsthaft demokratische, vielfältige Gesellschaft haben. In der möglichst niemand ausgegrenzt werden soll.
Dafür nehme ich diesen kleinen Nachteil „nicht 100% meine Sprache“ wirklich äußerst gern in Kauf.
Der andere (scheinbare) Nachteil von einfacher Sprache ist dieses ständige Nachdenken … Ich kann nicht immer schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Das wird aber durch einen riesigen Vorteil ausgeglichen. Das habe ich in dem Kurs bemerkt, den ich soeben absolviert habe. Da wurden uns Texte zur Überarbeitung vorgelegt, die strotzen stellenweise nur so vor Kompromissbereitschaft. Sie waren erkennbar von Ausschüssen verfasst, in denen auf alle Wünsche Rücksicht genommen werden sollte. Auf alle!
Das Ergebnis war oft unlogisch, fast immer unklar. Und hinterließ bei mir den Eindruck: Das ist einfach nicht ehrlich! Die sagen nicht, was sie wirklich im Sinn haben. Oft waren das übrigens Texte aus Behörden, von Ämtern oder aus einer Art Nachschlagewerk.
Diese Unehrlichkeit in Texten, die es ja eigentlich nur gut meinen … die konnte ich noch nie leiden.
Die Verwendung von Fachsprache kann natürlich auch ein Versuch sein, diese Unehrlichkeit zu verstecken. Der Gedanke kam mir jetzt erst. Muss ich mal noch weiter verfolgen.
In jedem Fall feiere ich eine Sprache, die nichts versteckt, möglichst ehrlich bleibt. Und vor allem: verstanden werden will. Und soll.
Wie und wo ich da meine eigene Position finde, wird sich zeigen. Aber das hat ja auch noch Zeit. Befinde mich schließlich grad am Anfang dieses neuen Umbruchs … Der eigentlich gar keiner ist. Sondern die Rückkehr zu sehr alten Gedanken und Erkenntnissen.
Genau das liebe ich inzwischen an diesem Lebenslangen Lernen … Im Idealfall entwickeln wir uns damit weiter, finden aber auch immer wieder zu uns selbst zurück.
Wie immer: Freue mich wirklich sehr über all eure Kommentare! (Bisschen runterscrollen!)