Arbeitswelt zwischen 50plus und 60plus. Ein Zwischenfazit: #gruendenmit50plus

Arbeitswelt zwischen 50plus und 60plus. Ein Zwischenfazit: #gruendenmit50plus

Ich habe diesen Blog ja mit Blick auf die Arbeitswelt 50plus gestartet. Wie die junge Journalistin, die ich ja auch mal war, bin ich 2015 über die Frankfurter Buchmesse gehopst, ziemlich ungeplant und vor allem völlig unbeschwert … Auf der Suche nach allem, was zum Thema Älterwerden passen könnte. Dabei habe ich lustige Dinge und Menschen gefunden … einen Kerl im Klimakterium zum Beispiel. Der saß zufällig neben mir – einfach so. Oder schöne Bücher für kluge Frauen von niemand Geringerem als der damls schon 83-jährigen Elisabeth Sandmann. Oder Fräulein Betty. Ja: Es begann mit Leichtigkeit. Und einem Augenzwinkern. Ging es dann auch so weiter? Leider nein.

Arbeitslosigkeit und Gründung 50plus

Gegründet habe ich mit einem Gründungszuschuss der Arbeitsagentur. Da war ich hartnäckig. Denn die für mich zuständige Beraterin sagte sofort – immerhin sehr ehrlich: „Dieser Zuschuss wird bei uns in der Regel NICHT bewilligt.“ Damit war sofort klar, dass nicht die Frau, bei der ich mich mit schöner Regelmäßigkeit einfand, über meine damals schon geplante Selbstständigkeit entscheiden würde. Sondern einer ihrer Chefs, der mich noch nie gesehen hatte. Also verschwieg ich – ein bisschen tricky – meinen Gründungswunsch lieber erst mal. Machte mich brav daran, meine acht bis zehn Bewerbungen jede Woche zu schreiben. Und wurde im Lauf des nächsten halben Jahres zu drei (3!) Bewerbungsgesprächen eingeladen. Jedes Mal kam ich mir wie die „Quoten-Alte“ vor. Einmal traf ich nach dem Bewerbungs-Nein den Personalleiter zufällig noch mal im Treppenhaus, wo uns niemand zuhören konnte. Da fragte ich  unumwunden: „Lag es an meinem Alter?“ Tat mir sofort leid, denn der junge Mann wand sich sichtlich vor Verlegenheit. Antwort war ein sehr verdruckstes neeeein.

Den Gründungszuschuss brauchte ich dringend. Zwar kann ich ohne allzu teures Equipement arbeiten – das war und bleibt mein großes Glück. Tisch, Strom, PC und Internetanschluss genügen. Davon profitiere ich noch heute. Als das Schwierigste – und damit am Ende auch Teuerste – stellte sich bei mir die Positionierung heraus.

Positionierung?! So „spitz“ wie möglich!

Wie (fast) alle, die sich selbstständig machen, wollte auch ich erst einmal nicht auf das „So spitz wie möglich positionieren!“ hören. Nein, Text ist universell einsetzbar. Sehe ich noch heute so. Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte dieser Überzeugung vertraut. Statt dessen überlegte ich krampfhaft: Wer könnte meine Zielgruppe sein?! Je kleiner die ist, desto besser ist es angeblich – genau das besagt die „spitze Positionierung“.

Meine Idee war schließlich: Ich liebe das – leider mehr und mehr aussterbende – Handwerk. Also: echtes, meist auch kreatives Handwerk, professionell und auf der Basis von oft jahrhundertealtem Wissen. Und Handwerker:innen können sehr viel. Oft aber nicht besonders gut schreiben. So entstand die Texthandwerkerin, die ich heute noch bin. Heute sage ich: „Als Texthandwerkerin können Sie mich für das Schreiben eigener Texte buchen.“ Das richtet sich aber schon lang nicht mehr NUR an Handwerker:innen. Denn vor allem mit der männlichen Gattung dieser Spezies habe ich seltsame Dinge erlebt. Da war die anfängliche Leichtigkeit schon komplett futsch. Ich fand mich in einem uralten Geflecht aus Innungs-Prinzipien, Klüngel-Verhalten und „Wen wir nicht kennen, mit dem sprechen wir lieber gar nicht erst“ wieder. Wie sehr mich das zur Verzweiflung trieb, merkte ich spätestens, als ich in äußerster Not noch meinen Mann als „Bürgen“ zu benennen versuchte: Er sei schließlich auch Handwerker. Das stimmt. Aber er war gar nicht anwesend, und mein ruppig-störrischer Gesprächspartner kannte ihn ebenso wenig wie mich. Ich lernte: Fachwissen, Expertise – selbst, wenn sie absolut nachweisbar sind – zählen in manchen Kreisen gar nichts. Das hatte nichts mit meinem Alter zu tun, sondern mit einer gewissen Trägheit in manchen Branchen.

Das ständige Neuerfinden

Also: Handwerk ade! Ich musste mich zum zweiten oder dritten, später noch vierten und fünften Mal neu erfinden. Das Programm des „lebenslangen Lernens“ war irgendwie angelaufen, ohne, dass ich es groß bemerkt hätte. Mittlerweile habe ich mich fast daran gewöhnt. Fast, denn ich sehne mich danach, endlich mal irgendwo „anzukommen“. Auch beruflich. Vielleicht genau darum, weil ich „von Haus aus“ überhaupt nicht zu starren Routinen neige, wirklich gern Dinge umkremple, neu und anders betrachte. Doch da braucht es auch mal ein Gegengewicht. Etwas, das bleibt.

Komisch ist: Je älter ich werde, desto weniger habe ich das Gefühl, so etwas zu finden. Dass dieses „etwas, das bleibt“ überhaupt möglich sein könnte. Gut, das ist ein sehr individueller Punkt. Lassen wir den mal beiseite …

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Als „älterer Mensch“ gründen UND das Thema Älterwerden im Portfolio?

Noch schlimmer als das ständige Neuerfinden war sicher, dass ich irgendwann hoffte, ich könnte mit meinem eigenen Prozess des Älterwerdens (plus sehr guter Kenntnisse von Non-Profit-Strukturen) auch beruflich etwas aus dem Thema Älterwerden machen. Und was passierte? Ich landete ein zweites Mal in unglaublich starren Strukturen. Die waren dieses Mal an staatliche Fördergelder geknüft und begannen – vor allem in ihrer inhaltlichen Definition – alle mit dem Wort „Senioren“. Ich habe sogar eine Weiterbildung absolviert, die mit „Senioren“ begann. Da ging es um Ehrenämter für Rentner:innen. Und völlig selbstverständlich wurde vorausgesetzt, dass man Geld genug hat, um alles, was da an – teilweise gar nicht mal schlechten Projekten – anstand, umsonst machen zu können. Mit Liebe und Engagement, jeder Menge Fachkenntnis – und ohne einen Pfennig Bezahlung. Frustriert, wütend (auf mich selbst wie auf diese strukturellen Zumutungen) und sehr ernüchtert, ließ ich den Gedanken fallen, dass ich das Thema Älterwerden beruflich UND selbstständig (also: bezahlt!) noch irgendwo würde nutzen können. Den Gedanken an eine mögliche Festanastellung hatte ich da bereits hinter mir gelassen. Mit der wäre es vielleicht irgendwo gegangen. Aber meine Selbstständigkeit, die möchte ich mittlerweile gegen nichts anderes eintauschen.

Doch an dieser Stelle gilt durchaus: never say never! Wenn mir heute jemand ein – finanziell – gutes Angebot machen würde, das mit Text UND dem Älterwerden zusammenhängt: Ich würde es annehmen. Sehr gern sogar, aber natürlich als Freelancerin. Denn das Thema ist und bleibt meins. Hier im Unruhewerk, auf den Blogs 50plus und in so vielen meiner beruflichen wie privaten Kontakte. Dazu kommt: Älter werdende Menschen und das Schreiben eigener Bücher – das passt perfekt zusammen!

Ich denke, es ist keine schlechte Sache, das, was einen auch privat umtreibt, zu einem wichtigen Bestandteil des beruflichen Portfolios zu machen … zumal bei einem Thema wie dem Älterwerden, das derzeit mehr denn je öffentliche, gesellschaftliche Relevanz hat, ja: haben muss!

Heimathafen Buchhebamme

Berufliches Portfolio? Ja, da habe ich inzwischen wohl doch meinen Heimathafen gefunden. Das ist die Buchhebamme.

Vielleicht hängt es ja mit meinem Eigensinn zusammen: Ich erfinde gern Dinge, die für mich Sinn machen. Und die es vorher so vielleicht noch gar nicht gab. Meine Berufsbezeichnung habe ich selbst erfunden, für mich ganz allein. Buchhebamme bezeichnet exakt das, was ich tue (wenn ich mich gerade nicht als Texthandwerkerin bezahlen lasse). Das bin ich. Und darum habe ich mir die Buchhbeamme auch als Wortmarke schützen lassen. Das bin also wirklich nur ich. Und das macht mich froh.

Nichts bleibt, wie es ist

Alles begann mit „50plus“. Mittlerweile bin ich 62. Natürlich ist das auch noch 50plus … Irgendwie. Ich scheue mich derzeit, da überall „60plus“ draus zu machen. Na gut, ich kann ja wenigstens stellenweise schon mal damit beginnen. Hab ich auch. Aber es ist so, wie ich oben gesagt habe: Nichts bleibt, wie es ist. Mir scheint: im Zuge des Älterwerdens noch viel seltener als in anderen Lebensstationen und -situationen. Aber vielleicht narre ich mich da auch selbst ein bisschen.

Vielleicht habe ich viel zu lang angenommen: Älterwerden bedeutet Ankommen, vielleicht sogar ein bisschen Sicherheit (jedenfalls mehr als mit 20 …) Scheint ein Irrtum zu sein. Das hat mich über längere Zeit schwer irritiert. Jetzt weiß ich: Es bleibt – auch beim Älterwerden – nichts, wie es ist. Und ich glaube: Das geschieht ganz und gar nicht zufällig. Denn mit dem #gründen50plus bin ich absolut nicht allein. Ganz im Gegenteil: Es ist eindeutig ein Trend. Einer, dessen Ursachen ich bei Gelegenheit gern noch weiter unter die Lupe nehmen möchte.

Und: Wir müssen dringend unser Bild des Ältwerdens überdenken! Niemand sollte mit der Hoffnung auf Ruhe oder gar Sicherheit in die Zeit des Älterwerden gehen! Das könnte fatal werden. Fatal auch, wenn man da nicht rechtzeitig finanziell vorgesorgt hat … Aber das ist noch mal ein ganz anderes Thema. Ein sehr wichtiges allerdings!


Text: Maria Al-Mana


 

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