Was machst du mit deinem Wissen und Können – wenn du 65 und älter bist?
Manche Blogbeiträge machen spontan gute Laune … War bei mir heute der Fall, als ich – natürlich! – ganz was anderes suchte und dies hier fand:
„Heute Morgen beim Abtippen eines Interviews tauchte in mir die Frage auf: Was mache ich hier eigentlich? Was ist das, was hier entsteht? Es ist in jedem Fall streng unwissenschaftlich und radikal subjektiv. Es ist eine Art Forschung im Selbstauftrag. Eine soziale Untersuchung im Lebensbereich alter Menschen über 65, nach ihrer Berufstätigkeit.“
Wissen und Können von Menschen, die 65 und älter sind
Das Zitat geht weiter: „Diese Lebensphase Alter dauert bei vielen viele Jahre, also die Phase nach der Berufstätigkeit bis zur Betreuung und Pflege. Um diese Phase geht es bei meiner Frage: Was machst du mit deinem Wissen und Können?
Was ich hier mache ist etwas, was sich aus meinem eigenen Erleben ergeben hat. Mir geht es nicht darum, jung sein zu wollen oder jünger zu erscheinen als ich bin. Ich bin aber erstaunt, wie gut ich drauf bin mit 75. Das hatte mir niemand gesagt, dass das Leben mit 75 so lebendig sein kann. Davon hatte ich keine Ahnung. Und das geht ja nicht nur mir so, sondern vielen anderen auch. Wenn ich mich so umschaue, dann sind viele in meinem Alter oder älter zwar nicht mehr mitten drin im kollektiven Leben aber doch mittendrin in ihrem eigenen Leben unterwegs, aktiv und lebendig.“
Das ist ein Blogbeitrag von Lisa Frohn, aus ihrer werkstatt für miteinander vom 14. Februar. Lisa kenne ich mittlerweile aus verschiedenen Blickwinkeln. Weil ich ein absoluter Fan ihres Buchs #Ran ans Alter bin – und das auch schon mehrfach verschenkt habe …
Weil ich immer noch den Hut ziehe vor der unglaublichen Arbeit, die sie in alles steckt, was sie tut … Etwa für ihr zweites Buch Ab ins Wohnprojekt – keine Ahnung, wie viele Interviews sie dafür geführt und abgetippt hat.
Weil ich ein Zertifikat habe, das mich als SeniorTrainerin ausweist – und in dieser Ausbildung war Lisa eine von zwei Referentinnen. Ich habe dabei einiges von ihr gelernt, was ich nicht vergessen habe. Vieles davon bietet sie mittlerweile auch in ihrer werkstatt für miteinander an.
Weil sie auf unserer Plattform Blogs50plus ebenso präsent ist wie sie es bei einem der Netzwertreffen – lange her! – in Köln war. (Im Foto vorne links). Da haben wir uns getroffen, sie hat mich mal in meinem Büro besucht … Ups: Ich merke, solche Erinnerungen setzen gerade ziemlich Wehmütiges frei.
Kollektiv UND individuell
Das passierte auch einigen von Lisas Interviewpartner:innen, als sie die allesamt über 65-Jährigen fragte: „Was machst du mit deinem Wissen und Können?“ Doch um Wehmut geht es hier überhaupt nicht … Sondern um die gute Laune, die mich spätestens ergriff, als ich las: „Das hatte mir niemand gesagt, dass das Leben mit 75 so lebendig sein kann. Davon hatte ich keine Ahnung. Und das geht ja nicht nur mir so, sondern vielen anderen auch. Wenn ich mich so umschaue, dann sind viele in meinem Alter oder älter zwar nicht mehr mitten drin im kollektiven Leben aber doch mittendrin in ihrem eigenen Leben unterwegs, aktiv und lebendig. “
Zwischen den Stichworten „kollektives Leben“ und dem „eigenen Leben“ liegen ganze Welten. Für mich jedenfalls. Und auch fast alle Fragen, mit denen ich mich momentan beschäftige – Alter hin oder her. Bei mir geht es um den Eigensinn. Den habe ich untersucht, beschrieben und von sehr vielen Seiten betrachtet. Dann trieb mich der Gedanke um, dass Eigensinn uns ja auch verbinden kann. Das sollte eigentlich der Titel von Band drei meiner Eigensinns-Trilogie werden. Vor kurzem habe ich – gerade noch rechtzeitig – bemerkt, dass ich damit nichts als meine eigene Hoffnung beschreibe. Gesellschaftliche Analysen zu machen, dazu sehe ich mich nicht in der Lage …. Natürlich können – und sollen! – Bücher auch Utopien beschreiben. Und zu meinem Eigensinn gehört definitiv ein riesiges Utopie-Reservoir. Dazu stehe ich, gar keine Frage. Aber als Buchtitel?! Ich habe gemerkt: Da müsste ich einiges ziemlich gewaltsam „hinbiegen“ – und das kommt nicht in Frage! Darum ist mein Arbeitstitel jetzt „Gelebter Eigensinn“. Und „Eigensinn verbindet“ wird eins von mehreren Kapiteln.
„Ich will Vielfalt zeigen!“
Was haben diese Eigensinns-Gedanken jetzt mit Lisas Blogbeitrag zu tun? Die Antwort hat sie im Januar selbst gegeben: „Natürlich denke ich darüber nach, was ich mit meinen Fragen und den Antworten eigentlich zeigen will. Und da fällt mir ein: Vielfalt. Ich will Vielfalt zeigen. Genauer gesagt, ich will meinen Beitrag dazu zu leisten, dass Vielfalt sichtbar wird. Dieselbe Frage an viele verschiedene Menschen zu stellen, bringt viele verschiedene Antworten hervor. Und keine davon ist richtig und keine ist falsch. Alle haben Gültigkeit und sind für die antwortende Person das, was im Moment wahr ist.
Soziale Vielfalt hat auch immer den Aspekt der sozialen Schönheit, ein Konzept von Joseph Beuys, dessen Gedanken zur sozialen Skulptur mir seit vielen Jahren eine Inspiration sind.“
Danke, Lisa! Das ist es!
Ich glaube, mindestens drei Dinge haben Lisa und ich gemeinsam: Wir wollen Dinge in einen größeren Kontext stellen, Vielfalt zeigen und Menschen eine Stimme geben – ohne dabei in irgendeiner Form einzugreifen. Lisas Thema ist (derzeit) vor allem das Community Building.
Was ist Community Building?
Lisas Antwort: „Wer zusammen mit anderen ein gemeinsames Anliegen verfolgt, bildet eine Community, eine Gemeinschaft mit der Idee, das Anliegen so gut wie möglich zu verwirklichen. Hier einige Fragen, die bei Community Building wichtig sind: * Wie lernen wir so zu kommunizieren, dass sich alle zugehörig fühlen können? * Wie treffen wir als Gruppe Entscheidungen? * Wie gehen wir mit Störungen und Konflikten um? * Welche Rituale wollen wir entwickeln und pflegen? * Wie kriegen wir Partizipation und Inklusion hin?
Und wie geht das, warum ist es überhaupt wichtig?
Sorry, ich genieße ich es gerade so, Lisas Gedanken zu folgen, dass ich sie jetzt noch ein weiteres Mal zitieren muss: „Gerald Hüther sagt, dass alle Menschen mit zwei Grundbedürfnissen auf die Welt kommen. Das ist das Bedürfnis dazuzugehören und das Bedürfnis individuell und autonom zu sein. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns unser ganzes Leben lang.
Die Frage in dieser Gemengelage ist, wie entwickle ich mich individuell, wie verwirklich ich mich, wie entfalte ich das, was in mir angelegt ist und wie gelingt es mir gleichzeitig, in sozialen Zusammenhängen dazuzugehören und von anderen angenommen zu werden? Auch das ist ein Thema dieses Projekts, denn individuelles Wissen und Können steht immer auch im Zusammenhang mit anderen. Allein schon die Frage, wie wir zu unserem Wissen und Können gekommen sind. Durch andere natürlich, die uns etwas zeigen, uns etwas lehren und etwas beibringen.“
Was also machst du mit deinem Wissen und Können?
Lisa beantwortet diese Frage indirekt und trotzdem äußerst zielstrebig – indem sie eben dieses neue Interviewprojekt gestartet hat. Als Außenstehende würde ich sagen: Sie fördert Vielfalt, regt zum Nachdenken an und macht ein Angebot. So niedrigschwellig wie irgend möglich: „Fühle dich eingeladen, Mitglied der Gemeinschaft älterwerdender Menschen zu werden, die über ihr Wissen/Können, beziehungsweise dessen Möglichkeiten nachdenken!“
Ich bin noch nicht in dem Alter, in dem sie auch mich fragen könnte …
Und wie es es mit euch? Was macht ihr mit eurem Wissen und Können? Egal, wie alt ihr seid. Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Text: Maria Al-Mana
Das Foto stammt von einem Treffen unseres Netzwerks Blogs50plus. Die Frau ganz vorne links ist Lisa Frohn, die übernächste bin ich.
Wer das Bild gemacht hat, weiss ich leider nicht. In jedem Fall eine Blogger:in 50plus.
Ein Gedanke zu „Was machst du mit deinem Wissen und Können – wenn du 65 und älter bist?“