OK Boomer?!

OK Boomer?!

„Kenn ich doch alles schon, halt den Mund, lass mich in Ruhe, hat sowieso keinen Sinn, mit dir zu reden, ist alles nur Blabla – und wo bleiben die konkreten Taten zu all deinen Worten?“ So ähnlich würde wohl eine halbwegs freundliche Übersetzung des zum Schlachtruf gewordenen Ausrufs „OK Boomer“ lauten. Doch so einfach ist es dann doch nicht …

Ist „OK Boomer“ nur Jugendsprache?

Was steckt dahinter? Simpel gesagt: ein handfester Generationenkonflikt. Das „OK Boomer“ haben junge Menschen erfunden und geprägt. Und für viele fasst es perfekt all das zusammen, was ihnen an älteren Menschen auf die Nerven geht. Kurz mal sprachlich auseinander genommen, geht es um Folgendes: Da sagt jemand: „Okay, du Babyboomer“ – und verdreht dabei genervt die Augen nach oben. Mindestens. Die Kurzform dafür ist eben „OK Boomer.“

Das ist jetzt nicht unbedingt das berühmt-berüchtigte Totschlagargument, signalisiert aber doch ziemlich deutlich: „Ich hab keine Lust mehr auf Diskussionen mit dir!“ Und nur darum schreibe ich hier darüber. Denn ansonsten bin ich eher der Ansicht: Jugendsprache ist Jugendsprache. Die hat ein Eigenleben, entwickelt sich in ziemlich schnellem Tempo – und ich muss sie mir ganz sicher nicht aneignen, wenn ich das nicht will. Wenn ich nicht finde, dass es zu mir passt, wenn es ganz einfach nicht meine Welt ist. Nervös werde ich erst dann, wenn ich wirklich gar nicht mehr verstehe, was junge Menschen sagen. Das ist Gott sei Dank (noch) nicht der Fall.

Peinlich oder hochnotpeinlich?

Ältere Menschen, die sich in „Jugendsprache“ ausdrücken wollen, finde ich hochnotpeinlich. Denn ich liebe das Spiel mit der Sprache, darum steht auch dieses seltsame Wort hochnotpeinlich hier. Damit hat schon Julian von Heyl auf seiner Seite www.korrekturen.de gespielt, als er seiner Erklärung dieses Begriffs die Überschrift „peinlich, peinlicher, hochnotpeinlich“ verpasste: Nein, hochnotpeinlich ist NICHT die höchste Steigerungsform von „peinlich“. Sondern noch viel schlimmer: „im ursprünglichen Sinne hat das Wort nicht die Bedeutung von »unangenehm; beschämend«, sondern ist als direkte Ableitung von »Pein« zu verstehen: In den Inquisitions- und Hexenprozessen des Mittelalters war die »peinliche Befragung« ein Verhör unter Anwendung von Foltermethoden; die »hochnotpeinliche Befragung« war entsprechend die strengste und grausamste Variante davon“, so von Heyl.

Folter, grausam, streng … Müssen wir wirklich so weit gehen, wenn wir uns als unterschiedlich alte Menschen offenbar nicht mehr richtig miteinander unterhalten können?! Naheliegende Antwort: natürlich nicht! Wer will, findet immer noch einen Weg, sich mit andren zu verständigen. Bedenklich wird es allerdings dann, wenn mindestens eine Seite sagt: Ich will das nicht mehr! Mir reicht’s!“ Und genau das ist die Wirkung, die dieses „OK Boomer“ auf mich hat: Jüngere Menschen wollen nicht mehr mit mir reden. Gefoltert fühle ich mich dadurch natürlich nicht. Wohl aber so was wie geohrfeigt. Und wie bei jeder Ohrfeige, hat auch das „OK Boomer“ eine Vorgeschichte. Und ich fürchte, die reicht weiter als Generationenkonflikte, die es immer gab, immer geben wird und vermutlich geben muss.

„OK Boomer“ contra Streitkultur

Für mich geht es an dieser Stelle um Streitkultur. Und meiner Ansicht nach hat die ganz direkt mit unserem Demokratieverständnis zu tun. Hier erhebe ich absolut keinen Anspruch darauf, mit dem, was ich gleich sagen werde, RECHT zu haben. Es ist ganz einfach mein Verständnis von Demokratie. Und das sieht so aus: Wenn alle Menschen Rechte haben, muss zwischen diesen Rechten eine Lösung gefunden werden, die nach Möglichkeit niemanden benachteiligt. Das führt naturgemäß zu sehr langen Debatten, am Ende steht meistens ein Kompromiss. Und zwar einer, mit dem möglichst viele Menschen kein Problem haben. Es ist lang. Es ist sehr mühsam. Man kann darüber verzweifeln. Und man hält das vermutlich nur dann durch, wenn man entweder dafür bezahlt wird oder – und das ist das Wichtige! – daran glaubt, dass diese Anstrengung am Ende sinnvoll ist. Meine These ist nun: Dieser Sinn, die Überzeugung, dass solche Debatten sinnvoll sind, genau das ist uns verloren gegangen. Wie, wo und wodurch – das fragen sich viele Menschen, das füllt eine Menge Bücher, Blogbeiträge etc. Und von dieser Erkenntnis zu dem: „Kenn ich doch alles schon, halt den Mund, lass mich in Ruhe, hat sowieso keinen Sinn, mit dir zu reden, alles nur Blabla – und wo bleiben die konkreten Taten zu all deinen Worten?“ ist es nicht weit.

Alarmzeichen: Aufkündigung der Dialogbereitschaft

Ganz ehrlich: Mir fallen auf Anhieb viele Punkte ein, an denen solche Gedanken leider stimmen. Aber die Lösung des Konflikts, den ich dahinter sehe („Klappe halten, einfach handeln, denn eine Verständigung ist sowieso unmöglich!“), die finde ich auch noch nicht. Ja, ich gebe zu: Ich bin in einer reinen Debatten-Kultur aufgewachsen. Und glaube noch immer daran, dass Worte, Dialoge, Debatten, gegenseitiger Respekt, gegenseitige Aufmerksamkeit helfen können. Ich verstehe sehr gut, dass jemand keine Kompromisse (mehr) will, dass es mehr als einen Grund gibt, richtig ungeduldig zu werden, ganz einfach die Nase vom nutz- und sinnlosen Debattieren voll zu haben. Verstehe ich wirklich. Aber eine Lösung ist das leider nicht. Denn wir leben nun mal zusammen. Jung und alt. Und irgendwie sollten wir doch in der Lage sein, das so zu tun, dass wir auch morgen noch miteinander reden können. Wenn aber einer von zwei Gesprächspartnern den Dialog einfach aufkündigt, gibt es kein Miteinander mehr. Und genau diese „Kündigung“, die höre ich in dem „OK Boomer“. Darum ist es für mich ein Alarmzeichen.

Wirklich grausam würde es für mich aber dann, wenn über solchen Nicht-Dialogen unsere ganze Gesellschaft noch weiter auseinander brechen würde … Wenn wir gar nicht mehr miteinander sprechen könnten – weder auf dem Fundament der Demokratie noch auf dem Fundament des „Ich erkläre dir, wie ich die Welt sehe …“ Für mich eine echte Horror-Vorstellung!


 

Ein Gedanke zu „OK Boomer?!

  1. Das mit „Ok Boomer“ ist für mich ein typisches Beispiel, wie Social Media zur Hysterisierung beiträgt.
    Da drücken ein paar junge Leute aus, dass sie die Alten nicht unbedingt mehr für meinungsrelevant halten! Wenn ich mich erinnere, hab ich zwischen 14 bis weit in die 20ger ganz ebenso die Alten nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe Ernst genommen. Die setzte ich nicht nur mit nervenden Eltern gleich, sondern auch mit „den Herrschenden“, die alles Übel zu verantworten hatten, gegen das ich kulturell und politisch anstinken wollte!

    Mehr „Generationenkonflikt“ sehe ich auch jetzt nicht, trotz des Klimathemas, das ein Teil der Jugend zum Glück so vehement ins Bewusstsein hebt. Ich halte sie auch nicht für debattierunwillig, ihre Vertreterinnen sitzen in den Talkshows und sind äußerst eloquent! Auch einzeln ist mein Eindruck, dass junge Menschen nicht etwa das Gespräch verweigern, sondern ganz im Gegenteil recht glücklich sind, wenn man sich für ihre Meinung interessiert.

    Das Problem der Diskussionsunwilligkeit sehe ich eher bei Älteren, und zwar quer durch die Altersgruppen und politischen Lager. Besonders ausgeprägt bei den populistisch Verführten rechts und rechtsaußen, aber auch bei etlichen Linksradikalen.

    Hast du den Artikel von Sasche Lobo zum „Generationenkonflikt“ gelesen? – Er beschreibt, welche inhaltlichen Auseinandersetzungen dahinter stehen – wenn du magst:
    https://www.spiegel.de/netzwelt/web/die-zornigen-zwanzigerjahre-progressive-gegen-konservative-a-1303282.html
    So gesehen bin ich immer schon bei den Jungen… und du vermutlich auch! 🙂

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