Bloggen mit „Zusatzchromosom“: Jolinas Welt
Meine heutige Interview-Partnerin ist Martina, die den Blog Jolinas Welt betreibt. Worum geht es da? Sie schreibt über ihren Blog: „Kreativ, chaotisches Familienleben trifft auf ein Zusatzchromosom. Lachen, streiten, kochen, nähen, gärtnern, reisen und alles, was das Leben zu bieten hat.“
Zusatzchromosom?!
Ja. Ihre Tochter Jolina kam mit Down-Syndrom zur Welt – und fast genauso lang bloggt Martina schon. Sie ist übrigens auch auf der Plattform Blogs50plus angemeldet – und dort können sich nach wie vor alle, die bloggen, über 50 sind – und daraus kein Geheimnis machen wollen – weiterhin kostenlos anmelden. Einer der Vorteile: Nach und nach schreibe ich alle an – und lade sie zu kleinen Interviews wie diesem an. Wer das nachlesen möchte, findet weitere Interviews hier unter Impressionen Blogs 50plus.
Jetzt aber endgültig zurück zu Martina und Jolina!
Thema Down-Syndrom
Ich blogge schon seit Mai 2010.
Gab es eine Idee, einen Traum, einen bestimmten Ansporn beim Start deines Blogs? Wenn ja: welchen?
Meine jüngste Tochter kam im März 2009 mit Down-Syndrom zur Welt und andere Blogs gaben mir so viel Halt, das wollte ich zurückgeben.
Hat sich diese Idee „woandershin“ entwickelt als vorher gedacht?
Ja, es wurde viel mehr, als nur das Leben eines Kindes, sondern alles drum herum kam dazu und auch Kooperationen und eigentlich ein Fulltimejob als Blogger.
Hat die Krise des Corona-Virus in deinem Blog Spuren hinterlassen? Machst du seither Dinge anders als vorher?
Das wird sich erst zeigen, denn durch die Vorbereitung des Welt Down-Syndrom Tages am 21. März war ich sehr eingespannt und der Blog wurde stiefmütterlich vernachlässigt.
„Es geht um meine Familie“
Spielt das Älterwerden beim Bloggen/bei der Auswahl der Themen für dich eine Rolle? Wenn ja: welche?
Nun ja, es geht um meine Familie, wir werden alle älter, auch die Kinder. Und so verschieben sich die Themen.
Gibt es einen Zeitplan, einen inhaltlich „roten Faden“ für Blogbeiträge? So etwas wie einen Redaktionsplan?
Es gibt nur drei Rubriken und der Rest ist frei. Samstags Buchtipps, Sonntags das Wochenende in Bildern und an jedem 12. eines Monats die 12 von 12. [Anmerkung: Das ist eine Bloggeraktion, Uschi Ronnenberg beschreibt sie so: „12 Fotos aus dem eigenen Tagesablauf am 12. des Monats – das ist das Foto-Projekt #12von12.“]
Was ist mit dem Zeitfaktor? Wie viel Zeit pro Woche wendest du für deinen Blog auf? Kommt dir das manchmal auch zu viel vor – und was tust du dann?
Es ist ja nicht der Blog alleine. Es ist Bilder machen, Bilder bearbeiten, Text schreiben, Pinterest pflegen, Facebook füttern, bei Instagram aktiv sein um auch dort den Blog bekannt zu machen, E-Mails beantworten, Neues lernen übers Bloggen … Es ist, wie ich gesagt habe, ein 24/7-Job. Ich denke, ich komme auf mindestens 40 Stunden die Woche.
Martinas Blog-Erfolg kennt viele gute Gründe
An welchen Punkten sagst oder denkst du: „Ich bin erfolgreich mit meinem Blog“? Oder ist Erfolg gar kein Kriterium für dich?
Ich bin erfolgreich, wenn ich Nachrichten bekomme, dass Eltern jetzt entspannter in die Schwangerschaft gehen und keinen Bluttest auf Trisomie machen. Der Blog ist erfolgreich, wenn Eltern mir schreiben, dass es ihnen bei der Geburt ihres Kindes mit Behinderung geholfen hat und er ist erfolgreich, wenn ich für Kooperationen Geld bekomme.
Wie sieht es aus mit der Technik: Hattest – oder hast du – manchmal technische Schwierigkeiten? Wie löst du die? Oder flutscht es immer perfekt?
Deshalb bin ich immer noch bei Blogger und nicht selbstgehostet …
„Ich träume davon, DIE deutsche Down-Syndrom-Bloggerin zu sein“
Ich denke ja: Bloggen geht nicht ohne gute Netzwerke. Wie siehst du das, was tust du dafür? Und was macht für dich ein „gutes Netzwerk“ aus?
Ich habe eine große Down-Syndrom Gruppe, ich bin aktiv auf facebook und Instagram und gehe auf Bloggertreffen.
Wie sehen deinen Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft deines Blogs aus?
Ich möchte mehr Leser und mehr Instagram-Follower.
Ich träume davon, „DIE“ deutsche Down-Syndrom-Bloggerin zu sein.
Mal ganz unabhängig vom Bloggen: Was ist dein Lieblingsgedanke zum Thema Älterwerden?
Es ist cool, wie gelassen und geerdet man wird.
Ich ärgere mich, dass ich durch die Wechseljahre von Größe 36 (mit 40 Jahren) auf Größe 44/46 (mit 52 Jahren) gedonnert bin und egal, was ich versuche, nicht abnehme – Mist!
„Sprachrohr“ für viele sein …
Was lässt dich schon so lange bloggen?
Das Feedback meiner Leser und ab und zu ein bisschen dazu verdienen.
Zudem ein Sprachrohr für viele zu sein.
Liest du noch Blogs?
Ja, aber nicht mehr so viele wie früher. Je mehr Blogger an den „Markt“ drängten, um so unpersönlicher wurde die Sache und mir immer langweiliger, zum zehnten Mal den gleichen Käse zu lesen. Kaum einer hat neue Gedanken. Außerdem fehlt mir die Zeit, leider. Doch die wenigen, die ich lese, genieße ich um so mehr.
Liebe Martina, vielen Dank!