Alles fängt mit der Ansprache an
Ich hab mich lang damit beschäftigt, warum Menschen unsres Alters im Internet (noch) nicht so sichtbar sind wie Jüngere. Und tue es noch. Manche Gründe liegen auf der Hand: Die Technik ist nicht vertraut, es gibt Hemmschwellen…. das ist unbestritten. Die allerorten geschürte Angst vor „Datenkraken“ und anderen Ungeheuern tut ein Übriges.
Inzwischen glaube ich aber, es beginnt viel früher. Eine der Hemmschwellen ist ja auch, dass man weltweit sichtbar dasteht und „Ich“ sagt. Dazu gehört Chuzpe. Und es gilt, die Furcht davor zu überwinden, sich mit solcher Eitelkeit, Arroganz oder was auch immer dahinter vermutet werden könnte, zu präsentieren. Besser gesagt: sich die Selbstverständlichkeit anzueignen, dass es ganz normal ist, sich auf diese Weise zu öffnen – jede/r, wie er und sie kann und mag. Das ist ja auch nicht anders als zum Beispiel an der Supermarktkasse: Manche packen ihre Einkäufe aufs Band, zahlen, gehen und sagen dabei kein Wort. Andre erklären ungefragt vor oder hinter ihnen Stehenden, warum sie es heute eilig haben. Oder erzählen der Kassiererin, dass sie eigentlich was ganz andres gesucht haben, aber dieses Sonderangebot…. Wetten, dass dabei das Wörtchen „Ich“ fällt? Warum handeln die einen so, die andren nicht? Hat das wirklich ganz andre Gründe als bei der Internet-Nutzung? Ich glaube nicht. Menschen sind nun mal so: Die einen kümmert es nullkomma gar nicht, was andre über sie denken, die machen einfach „ihr Ding“. Andre schämen sich in Grund und Boden, wenn sie fremden Menschen was erzählen sollen. Und dabei „ich“ sagen müssen. Die Gründe dafür sind eine ganz andere Geschichte….
Du oder Sie?
Und dann die Ansprache. Kassiererin und Kunden siezen sich– es sei denn, sie kennen sich. Kommt auf dem Dorf oft vor. Und wie ist das im Internet? Da ist meiner Ansicht nach die „Hemmschwelle“ verschoben… Da haben Jüngere gelernt: „Ältere Menschen muss man siezen“. In vielen Netzwerken ist das aber unüblich, da duzt man sich einfach. Damit fällt die Ansprache der ganzen Zielgruppe „ü50“ schon schwerer…. Könnte übrigens sein, dass dies ein Faktor für den Erfolg der IKEA-Werbung ist: Jeder weiß doch, dass Skandinavier sich alle duzen. Da wirkt das „lebst du schon?“ ganz natürlich, charmant, erfrischend, selbstverständlich… jedenfalls nie gekünstelt oder erzwungen.
Positionierung
Es geht also um Positionierung, wie so oft. In diesem Fall erst mal um sprachliche Entscheidungen: Wie und wo will ich „ich“ sagen? Wann sage ich „du“? Das können essentielle Fragen sein. Denn sie bestimmen unser Kommunikationsverhalten. Und damit auch unsere Stellung zu Dingen und Abläufen: Wie vertraut ist mir diese Umgebung? Wie vertraut will ich mich mit ihr machen? Bedeutet natürlich gleichzeitig immer: Wie vertraut mit den Menschen, die mir da begegnen?
Ich freue mich auf euch!
Meine Entscheidung ist da ganz klar. Ich muss nicht zählen, wie oft ich hier schon „ich“ gesagt habe… oft genug, um zu demonstrieren: Ich bin hier. Ich möchte ernst genommen werden. Und: Ich möchte mit euch ins Gespräch kommen. Denn: Ja! Ich möchte euch duzen. Ich fühle mich euch nah, vermute, dass ihr ansatzweise ähnliche Fragen an die Welt (und das Internet) habt wie ich, möchte diese Fragen zusammen mit euch klären helfen…. kurz: Ich freue mich auf euch!
Oder hat jemand Einwände? Möchte lieber gesiezt werden? Dann bitte Bescheid sagen – ich bin flexibel….
2 Gedanken zu „Alles fängt mit der Ansprache an“
Liebe Maria,
Du fragtest, wie Deine neue Seite ankommt … Auf mich macht Sie rein äußerlich einen schönen und gut lesbaren Eindruck. Inhaltlich mag ich Deinen Stil, Deine Offenheit und Deine Gedanken zu diesem Thema.
Mit meinem Blog habe ich im letzten Jahr gestartet, wie Du im reifen Alter. Ich mag mich nicht einmal von der alten Schreibweise bei der Anrede trennen 😉
Wir sehen uns auf FB.
Herzlichst
Evelyn
Liebe Evelyn, ja, es fällt mir schon seit einiger Zeit auf, dass wir uns an vielen Stellen „treffen“… inhaltlich wie in den Netzwerken. Um so mehr freut mich, dass der ERSTE Kommentar auf meinem Blog ausgerechnet von dir kommt. Ich glaube, wir sind beide in einer „unruhigen Phase“….
An alle, die es interessiert (oder angeht): Evelyn schreibt in ihrem Blog http://www.schwarzaufweiss-internet.de zur Zeit sehr anschaulich über ihren Büroumzug. Und was es da alles zu beachten gilt…. nicht grade wenig. Steht bei mir übrigens auch noch an. Eines Tages.
Wie du so richtig schreibst: „Neue Wege führen zu neuen Erkenntnissen“. Und das alles ist – und bleibt sicher auch – vor allem eins: spannend! Schön, dass du hierher gefunden hast!
Lieben Gruß
Maria