Was mich glücklich macht. Zum Beispiel meine Selbstständigkeit
Dank an Peer Wandiger! Er hat zu einer Blogparade aufgerufen: „Seid ihr glücklich als Selbständige?“ fragt er da. Ich denke zwar, dass man Selbstständigkeit anders schreibt, aber antworten will ich ihm auf jeden Fall. Nein, eigentlich muss ich mich zuerst so einiges fragen….
Bin ich krank?
Bin ich krank? Keine Ahnung! Mit Sicherheit hab ich Visionen, halte die aber im Gegensatz zu Helmut Schmidt nicht für eine Krankheit. Vermutlich bin ich eine Scanner-Persönlichkeit: immer viel zu viele Ideen im Kopf und ziemlich viele unterschiedliche Begabungen. Dann hab ich auch noch fast krankhafte Angst vor zu engen Räumen, bin nicht mehr ganz jung, hab schon viel erlebt und gesehen, erlaube mir immer häufiger einen „eignen Kopf“….
Klar, oder? Mit solchen Befunden gehst du in einer Festanstellung ein wie eine Primel. Ich habe es versucht. Sehr entschlossen, jahrelang. Ging nicht gut aus. Immer dieselben eingefahrenen Wege, jeden Tag knirschende Routinen, immer die gleichen Menschen… Und hast du mal eine neue Idee, giltst du gleich als schwierig. Oder als „bossy“. Ja: Da sind wir schon kurz vorm Mobbing. Wenn der Chef das immer wieder – gern auch im Beisein von anderen – zu seiner, beziehungsweise über seine Stellvertreterin sagt…. Ich habs versucht, hab aus- und durchgehalten, denn grad diese Arbeit, die liebte ich: Öffentlichkeitsarbeit, Menschen zusammenbringen, informieren, Geschichten finden und erzählen.
Ich hatte mehrere Festanstellungen, dazwischen war ich schon mal selbstständig. Da hatte ich für jede meiner Fähigkeiten einen eignen Job. Im einen war ich Texterin, im andren Journalistin, in Urlaubszeiten auch mal Chefredakteurin. In anderen Fotografin, Layouterin und Online-Redakteurin. Und ich war eigentlich von Anfang an glücklich. Allerdings auch noch ziemlich jung. Überrascht und glücklich war ich darüber, dass ich schon nach etwa einem halben Jahr mit meinem „Bauchladen“ etwa genau so viel (manche hätten sicher gesagt: wenig) verdiente wie vorher als fest angestellte „technische Redakteurin.“ Dieses Glück war etwas ganz und gar Ungeplantes: Ich nahm, was ich kriegen konnte. Ohne Konzept, ohne Rücksicht auf mich und meine Vorlieben/Abneigungen…. Am Ende war es mir zu viel. Zu viele unterschiedliche Milieus, Sprach-, sogar Kleidungs-Stile.
Was so alles psychosomatisch sein kann….
Da dachte ich dann: stellvertretende Leitung einer Pressestelle, das ist DER Job für mich. Fest und sicher, das halte ich bis zur Rente durch. Ehrlich: Ich mag schon gar nicht mehr (er)zählen, wie viele Krankheiten ich in dieser Zeit hatte… Ein Orthopäde spritzte mir zum Beispiel am Ende ein Antidepressivum in den Rücken. Weil nichts half. Und ich nächtelang wegen meiner Rückenschmerzen nicht geschlafen hatte… Was dann wirklich half, war Urlaub: Von einem Tag auf den andren waren die Schmerzen weg. Ich begann zu lernen, WAS alles psychosomatisch sein kann…. Sehr vieles! Und ich lernte, besser auf mich acht zu geben.
Jetzt sofort und auf der Stelle
Und jetzt bin ich wieder selbstständig. Und glücklich. Weil ich all das, was ich gelernt habe, auch ganz einfach umsetzen kann: Geht mir alles auf die Nerven: Ab in die Badewanne! Jault der Hund: Komm, wir gehen raus! Jetzt sofort und auf der Stelle, ohne nachzudenken oder gar jemanden fragen zu müssen: „Darf ich?“ Musik, manchmal laut mitgegrölt…. Offene Fenster, wenn andre schon lang bibbern. Sprunghaftes Arbeiten, Hin- und Herswitchen zwischen all meinen Ideen und Projekten, wie ich grad lustig bin. Gott sei Dank hab ich trotz aller „Sprunghaftigkeit“ immer auch den Antrieb, alles zu Ende zu bringen. So, wie ich mir das vorstelle. Und wenn es bis in die Nacht dauert, dauerts eben bis mitten in die Nacht! Ich muss mich nicht für meine Überstunden rechtfertigen. (In der Festanstellung schon! Dauernd!) Ich darf die Dinge so zu Ende bringen, wie ich das möchte… Ach ja: Ich leide auch an der „Krankheit Perfektionismus“. Aber in Verbindung mit einem Projekt, das am Ende genauso aussieht, wie ich mir das vorgestellt habe, macht mich das glücklich.
Ja, auch das war schon immer eine meiner Fähigkeiten: Ich kann mich selber loben. Und manchmal genügt das völlig. Meistens ist es sowieso nötig, weils kein andrer tut… Aber das stört mich in der Regel nicht: Wenn mich ein fertiges Etwas anstrahlt, das ich gemacht habe – ganz allein – und es sieht genauso aus, wie ich es mir vorgestellt habe, bin ich definitiv glücklich.
Wer willst du sein? Wie wirken?
Im Gegensatz zu meiner ersten Selbstständigkeit, die wahllos Job neben Job reihte, bin ich jetzt hoffentlich ein bisschen schlauer: Ich habe mich vorher gefragt – und tu das noch immer -: „Willst du das? Wirklich?“ Manchmal auch so was wie: „Wer willst du sein? Wie wirken? Wie aussehen?“ Klingt vielleicht komisch. Aber ich bin derart neugierig, kann mir so viele verschiedene Dinge vorstellen, dass ich mich das manchmal fragen MUSS. Und es macht mich glücklich, dass ich das auch KANN. In der Planung meiner Selbstständigkeit habe ich sehr viele Ideen schon wieder verworfen, dauernd kommen neue dazu. Und ich kann sie alle prüfen, in Betracht ziehen, verwerfen – alles ganz allein meine Entscheidung. Das macht mich sogar extrem glücklich. Gut: Im Moment bin ich wieder in der Startphase. Irgendwann hat sich das alles dann wohl „zurechtgeruckelt“, ich werde DIE Texthandwerkerin sein. Und es wird ziemlich klar sein, was die tut, was nicht… Aber ich weiß jetzt schon: Ich werde ihr so viele Wege wie möglich offen halten. So viel, wie ich schaffen kann, ohne mir weh zu tun. So viele Wege, wie ich gehen möchte. Ich fühle mich kein bisschen eingeengt. Und einen Menschen mit Platzangst macht auch das richtig glücklich.
Ich kann auch mal NEIN sagen
Ob es mich glücklich macht, jetzt, im Alter von „50plus“ ein weiteres Mal neu zu starten, weiß ich noch nicht genau… Manchmal denke ich: Hättest du auch früher drauf kommen können! Dann wieder: Ist okay, ich war an manchen Punkten schon immer ziemliche „Spätzünderin“. Tatsache ist, dass ich es geschafft habe, meinen eignen Weg zeitgleich mit meiner Selbstständigkeit zu thematisieren. So habe ich gelernt, dass es viele Menschen gibt, die in etwa diesem Alter in die Selbstständigkeit starten. Dass wir ungeheuer viel Energie, Wissen und Erfahrung haben. Die wir in aller Regel gern teilen und weitergeben. Dass viele von uns sich gern vernetzen – so entstand die von mir und Uschi Ronnenberg gegründete Plattform www.blogs50plus.de. Die bringt uns zwar kein Geld, aber jede Menge wunderbarer Kontakte, bis hin zum deutschlandweit ersten Bloggertreffen von Menschen 50plus. Wir werden sichtbarer, widerlegen Vorurteile gegen Ältere…. Das alles macht mich auch glücklich. Und dass diese Plattform wie auch mein privater Blog www.unruhewerk.de zu meinen Referenzen im Netz werden, dass ich darüber – wie natürlich auch auf www.texthandwerkerin.de – meine Wunschkunden definieren und ansprechen kann, dass ich zielgerichtet entlang meiner Person, meinen Interessen schreiben, handeln, diskutieren und arbeiten kann, das alles ist genau genommen mein größtes Glück.
Um es mal ganz platt zu sagen: Ich muss nicht mehr zu jedem Idioten freundlich sein, ich kann auch mal NEIN sagen (und hab das auch schon getan!) – das macht mich vielleicht am allerglücklichsten. In jedem Fall hilft es, Krankheiten zu vermeiden. Rückenschmerzen hatte ich schon lang nicht mehr….
10 Gedanken zu „Was mich glücklich macht. Zum Beispiel meine Selbstständigkeit“
Ich muss nicht mehr zu jedem Idioten freundlich sein, ich kann auch mal NEIN sagen – das macht mich vielleicht am allerglücklichsten.
Das kann ich einfach nur so gut nachvollziehen.
In dieser Runde bin ich mit meinen 35 etwas jünger, aber wir teilen dennoch die gleichen Gründe. Für mich fängt es jetzt an.
Danke für diesen Eintrag!
Mein Mann und ich sind beide selbstständig. Und wir können es uns auch gar nicht mehr anders vorstellen. Aber was mir fehlt, bzw. oft nervt, ist der Umstand, dass einem die Absicherung fehlt und die Kollegen.
Beides hat seine Vor- und Nachteile. Am Montag einfach mal länger schlafen ist schon schön. Aber Samstag und Sonntag die Umsatzsteuer-Voranmeldung machen, ist manchmal auch deprimierend!
LG Sabienes
Liebe Sabienes (da passt der Plural endlich mal… Gruß an deinen Mann!) Ehrlich gesagt: Wenn es NUR und zu 100% positiv wäre, wär ja jede/r selbstständig… Muss ja nu auch nich sein 😉 Ich finde es schon wichtig, dass es Alternativen gibt. Und dass wir den Vergleich haben. Klar: Alles hat Licht- und Schattenseiten. Find ich aber auch ganz richtig so.
Herzlichen Gruß
Maria
Liebe Maria,
ich hoffe, du denkst dabei auch an deine Altersvorsorge. Gerade in der Medien- und Kommunikationsbranche sind viele ziemlich blauäugig.
Ich war ja auch einige Jahre selbstständig – war nicht schlecht. In der Zeit habe ich brav über die Künstersozialkasse brav weiter eingezahlt.
Hier ein Beitrag zum Thema Selbstständig und Altersvorsorge http://vorunruhestand.de/2016/07/zwang-zur-altersvorsorge-fuer-selbststaendige/
Lieber Helmut,
danke für den Tipp! Mir ist völlig klar, dass Selbstständige mehr denn je auf ihre Altersvorsorge achten müssen – du kannst das alles nur besser beschreiben als ich 😉
Für mich selbst fand und finde ich es wichtig, genau wie in der Wahl der Auftraggeber als Selbstständige nicht nur auf EINE Karte zu setzen…. Ich bringe es immerhin auf drei Faktoren: gesetzliche Rentenversicherung, eine alte Betriebsrentenversicherung, in die ich freiwillig weite einzahle und eine private Lebensversicherung… Keins davon würde allein reichen. Aber in der Summe wird es – hoffentlich – gehen.
Herzlichen Gruß
Maria
<3
Liebe Maria,
wie du weißt, macht mich die Selbstständigkeit auch glücklich, ich schrieb ja auch schon darüber. In letzter Zeit habe ich aber auch verstärkt Tage, an denen ich müde bin, müde von 47 Jahre Arbeit. Das aber macht mir Angst, den ich kann es mir nicht leisten. Ich muß MINDESTENS bis 65 3/4 arbeiten und am besten auch darüber hinaus, damit noch ein bißchen Geld für die schönen Dinge des Lebens bleibt.
Du kennst ja meine Geschichte und dass ich so ganz ohne Rücklagen bin.
Ein Glück ist, dass ich mich vor ein paar Jahren die Künstlersozialkasse aufgenommen hat, so daß ich weiter Rentenversicherung zahlen kann. Auch bin ich dadurch wie ein Angestellter krankenversichert. Bekomme also nach 6 Wochen Krankheit „Lohnfortzahlung“. Das ist wenigstens eine kleine Beruhigung.
So ist die Selbstständigkeit ein ständiges Gefühls-Auf-und-Ab. Bereut habe ich es trotzdem noch nicht.
Liebe Grüße
Karin
Liebe Karin,
ja, ich weiß…. Und mit der Künstlersozialkasse kämpfe ich zur Zeit… Als ich mich das erste Mal selbstständig gemacht habe (1994), war das gar kein Problem. Aber jetzt – puh! Die Zeiten werden in jeder Hinsicht immer härter. Und klar: Die Gefahr krank zu werden, ist die schlimmste Vorstellung. Ich weiß das sehr gut. Aber grade darum versuche ich, mich eher auf das Positive zu konzentrieren. Wir müssen gut auf uns aufpassen! Grade darum bin ich aber so froh, ein Netzwerk zu haben, in dem man sich Tipps geben und vielleicht auch ein klein wenig aufeinander achtgeben kann…
Pass gut auf dich auf!
Herzlichen Gruß
Maria
in vielem mag ich zustimmen, aber für mich kommt jetzt dr Punkt wo ich sage ich möchte raus aus der Selbständigkeit. Ich werde jetzt 60 Jahre und was ist wenn ich mal krank werde? Sicherlich man kann immer einige Zeit aus seinen Rücklagen leben, aber das fehlt dann wieder im Alter. Man ist hin und her gerissen, beides hat seine Darseinsberechtigung. Aber ich werde es versuchen nohmal nach über 30 Jahren der sogenannten Freiheit als Angestellter zu gehen. Nicht in jeder Firma nicht um jeden Preis, sondern zu meinen Bedingungen und ja auch im Alter kann man Forderungen stellen.
Ja, Beyermann – leider verstehe ich dich nur allzu gut. Klar habe ich die Sorge auch…. und versuche mich so weit als möglich abzusichern. Auch klar, dass das immer schwieriger wird. Natürlich ist dein Gedanke völlig richtig. Allerdings nicht grad einfach umzusetzen… Bei mir jedenfalls hat genau das „zu meinen Bedingungen“ gar nicht funktioniert. Ich wünsch dir viel Erfolg!
Herzlichen Gruß
Maria