Lasst uns reden!!! Buchmesse Frankfurt und Orbanism-Award 2017

Lasst uns reden!!! Buchmesse Frankfurt und Orbanism-Award 2017

Es ist ja immer so: Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten … Und auf der Buchmesse 2017 in Frankfurt war gigantisch viel Licht – das strahlte vermutlich weniger von den Glühbirnen als mehr von all den tollen Autor/innen, Büchern, Aussteller/innen und Messe-Menschen ab. Meistens jedenfalls. Fazit des ARD-Magazins „Titel, Thesen, Temperamente“ am Sonntag Abend: Schon lang nicht mehr seien so viele spannende Bücher auf der Frankfurter Buchmesse zu finden gewesen. Gut möglich, obwohl: Die Jahre vorher waren auch nicht unbedingt langweilig …. Schwer zu sagen. Und es kommt immer auf den Blickwinkel an. (Nein: Filterblasen gibt es wahrlich nicht erst seit Facebook und Co.!)

Lernen und Zuhören-Können

Das ist ja das Dumme: Je größer etwas ist, desto schwerer fällt die Bewertung, gar eine eigene Positionierung. In jeder Hinsicht. Wenn die dicksten, tollsten Fotobände locken, haben kleine Verlage es naturgemäß schwer. Selfpublisher erst recht. Aber das ist ein schon lang diskutiertes Thema, gerade in Frankfurt. Immerhin bewegt sich hier durchaus etwas: Aus der Selbstbeschreibung der Messeleitung: „Wir bieten Self-Publishing Innovatoren einen eigenen Ort auf der Buchmesse. Die Self-Publishing Area bietet mit Präsentationsmöglichkeiten, Workshops und Diskussionsrunden einen Anziehungspunkt für Dienstleister, Verlage, Autoren und Interessierte.“ Das stimmt. Mein Eindruck als mehrfache Messebesucherin: Immer mehr Menschen wollen gern selbst Bücher veröffentlichen, der Andrang in den Selfpublishing-Ecken war sehr groß – darum ist dieser Bereich sicher noch viel weiter ausbaufähig … Aber das hat am Ende vor allem mit der Akzeptanz der „Etablierten“ gegenüber den oft noch gar nicht recht verstandenen Möglichkeiten der virtuellen Welt, ihren technischen und Vernetzungs-Möglichkeiten zu tun. Hier geht es vor allem um Kommunikation, um Lernen und Zuhören-Können …

Ein Monopol verpflichten

Und: Weil Frankfurt als weltgrößte Buchmesse quasi eine Monopolstellung hat, können bereits erschienene, von Rechts wegen zulässige Bücher nicht einfach ausgeschlossen werden. So wenig wie politisch unliebsame Stimmen, die ein Verlag unter Umständen schon – durchaus vorher berechenbar – mit sich bringt. Es sei denn, das Buch verstößt gegen herrschende Gesetze, ist zum Beispiel deutlich gewaltverherrlichend. Dann wäre ein Strafverfahren gegen den Verlag das Mittel der Wahl. Dafür müsste ein Verleger dann seinen Kopf hinhalten. Wenn aber Verlage mit deutlich erkennbaren Rechts-Tendenzen nicht ausgeladen werden können, muss wohl mehr denn je mit „Handgreiflichkeiten“ gerechnet werden, wie die Buchmessen-Pressestelle die gezielten „Provokationen, Sachbeschädigungen und tätlichen Übergriffe“ vornehm zurückhaltend nannte.
Was lässt sich dagegen tun? Ich gestehe: Da bin ich genauso ratlos wie viele andere im Moment. Denn wer vehement gegen Zensurmaßnahmen eintreten will, kann die nicht einfach selbst vornehmen. Zum Beispiel gegen die „Neuen Rechten“, von denen genau diese „Handgreiflichkeiten“ ausgingen. Selbstverständlich sind Sachbeschädigung und tätliche Übergriffe ohne Frage ebenso gräßlich reale Straftaten wie Volksverhetzung – und für Letzteres wurde ein Autor des an den Handgreiflichkeiten beteiligten Verlags bereits rechtskräftig verurteilt. Aber einen solchen Verlag erst gar nicht zur Buchmesse zuzulassen, wäre definitiv eine Zensur-Maßnahme. Und das geht auch nicht.

Einziger Ausweg ist für mich eine radikal subjektive Stellungnahme wie die von Branchenkenner, Herausgeber und Chefredakteur des Digital publishing report – Infodienst für die Medienbranche, Steffen Meier, auf Facebook: „Mir wurscht, was andere sagen: Ich mag keine Nazis auf ‚meiner‘ Buchmesse haben …“ Sehe ich genauso.

Wie tief ist die Kluft schon?!

Eine Frage steht bei alledem für mich klar im Mittelpunkt: Warum zum Teufel können wir eigentlich nicht (mehr) miteinander reden, BEVOR Menschen angegriffen und körperlich verletzt werden?! Wie tief ist die Kluft schon geworden, etwa zwischen „besorgten Bürgern“ und etablierten Institutionen – zu denen zweifellos auch die Buchmesse gehört? Und: Können nicht gerade wir, die wir uns mit Worten, Argumenten und Kommunikation auskennen/auskennen sollten, etwas dagegen unternehmen?! Dazu gleich mehr.

Selbst reden!

Ja, und dann war ich – gemeinsam mit der www.blogs50plus.de-Mitbetreiberin, der wunderbaren Uschi Ronnenberg (ihr Blogbeitrag dazu hier) – noch aus einem ganz anderen Grund auf der Buchmesse. Einem absolut tollen Grund: Wir waren auf der Shortlist für den Orbanism-Award (früher: Virenschleuder-Preis) nominiert. Ja: Früher war da mehr Glamour … Das habe ich schon ein bisschen vermisst. Und viele der Nominierten waren erst gar nicht gekommen – die habe ich noch mehr vermisst. Aber: Sei’s drum! Dafür ist die Trophäe viel schöner geworden als die alte Virenschleuder und vor allem so transparent – das passt!

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Foto: Leander Wattig auf Facebook.

 

An dieser Stelle vor allem: Noch einmal ganz herzlichen Dank an alle, die uns unterstützt und gewählt haben, uns Mut gemacht und durch ihre Präsenz auf unserer Plattform dazu beigetragen haben und weiter dazu beitragen, dass wir Über-50- (60- und 70-)Jährigen immer deutlicher sichtbar werden. Im „richtigen“ wie im virtuellen Leben. Dass unsere Vielfalt deutlich klar wird und bleibt. Dass wir mit eigener Stimme sprechen, nicht zu einer Gruppe von Menschen werden, „über“ die nur geredet wird, die schlimmstenfalls am Ende ihres Lebens einfach nur „verwaltet“ werden. So weit sind viele von uns natürlich noch lange nicht. Trotzdem: Ich bin glücklich darüber, jetzt schon ein klein wenig dazu beitragen zu können, dass das möglichst nie geschieht. Für mich auch eine Art Vorsorge.

Menschenvernetzer

Nominiert waren wir in der Kategorie „Menschenvernetzer“. Und allein dieses Etikett finde ich schon wunderbar. Nein, gewonnen haben wir nicht. Aber – ehrlich gesagt – das hatte ich auch nicht ernsthaft erwartet. Da gab es viel zu viele großartige Mit-Nominierte. Zum Beispiel Ali Can, der Aktivist, Autor und Weltverbesserer. Damals startete er seine Hotline für „Gespräche mit besorgten Bürgern“.

Lasst uns miteinander reden!

Und hier schließt sich ein Kreis: Sieht man sich mal näher an, was Ali Can macht, so steckt darin vielleicht ein Weg, mit dem sich ein Desaster wie die „Handgreiflichkeiten“ auf der Buchmesse – die für mich weit mehr als das waren! – vielleicht vermeiden lassen. Denn das Kernproblem ist meiner Ansicht nach, dass wir nicht mehr miteinander reden (können). Dass die einen bestenfalls ÜBER die anderen reden. Und das ist niemals gut.

„Zudem hat Ali Can sehr viel bewirkt und europaweit viel Aufmerksamkeit erfahren, indem er die Hotline für besorgte Bürger gestartet hat. Hier verfolgt er sein Ziel einer friedliebenden deutschen Gesellschaft, in der einander mit Wertschätzung begegnet wird, ganz konkret, indem ihn alle Menschen, die mit der aktuellen Politik unzufrieden sind, einfach anrufen können. Ali Can hört zu, teilt Erfahrungen und baut auf diesem Wege Stereotype ab.“ Dieses Zitat stammt aus einem Interview mit ihm zu seiner Vorstellung im Rahmen der nominierten „Menschenvernetzer“ des Orbanism-Awards. Nein: Auch er hat nicht gewonnen. Finde ich persönlich schade. Trotzdem: Aus ganzem Herzen allen Gewinner/innen herzlichen Glückwunsch!!!! Und das waren:

Kategorie: Bestes Live-Marketing B2C
Kein & Aber – mit dem Kein & Aber Tower auf der Frankfurter Buchmesse 2017

Kategorie: Bestes Live-Marketing B2B
Blogfabrik: Content Creation Week

Kategorie: Beste Publikumsveranstaltung
TINCON: Konferenz für Jugendliche und und junge Erwachsene

Kategorie: Beste Fachveranstaltung
CommunityCamp Berlin: Die (Un-)Konferenz für Community- und Social-Media-Manager

Kategorie: Beste Menschenvernetzerin
Lina Timm: MediaLab Bayern – Vernetzerin für Medien-Startups in Bayern und darüber hinaus

4 Gedanken zu „Lasst uns reden!!! Buchmesse Frankfurt und Orbanism-Award 2017

  1. Hallo Ihr Beiden,

    ja, ihr könnt stolz sein auf die Nominierung. Danke für die Plattform, die uns ein wenig hilft sichtbar zu bleiben.
    Die Buchmesse hat mich noch nie sonderlich interessiert. Wie die meisten Messen, erschlagen mich solche Veranstaltungen. Mir sind im Nachgang zu solchen Messen die Empfehlungen lieber, die ich von anderen Menschen erhalte.
    Ganz liebe Grüße
    Karin

    1. Liebe Karin,
      ich finde ja: Diese Nominierung galt uns ALLEN!!! Damit ganz sicher auch dir! Denn was hätten Uschi und ich denn zu betreuen, wenn es nicht ALL EURE Blogs gäbe?!
      Ja, ich kann mir solche „Massenveranstaltungen“ auch nur ganz selten antun… Aber manchmal muss es halt doch sein – und dann passieren in der Regel auch oft ganz tolle Sachen. So auch diesmal. Und danach hab ich fast den ganzen Sonntag lang geschlafen …

      Herzliche Grüße
      Maria

  2. Von all den Richtungsproblemen habe ich als Ein-Tages-Besucherin natürlich gar nichts mitbekommen – war ich doch bei meiner persönlichen Buchmessen-Premiere vollauf damit beschäftigt, die vielen Eindrücke zu verarbeiten…

    Schön war unser gemeinsamer Anlaß, uns dort zu sehen, und ich denke, auch auf die „Nur“-Nominierung dürfen wir durchaus ein bißchen stolz sein. Mensch, vernetze Dich!

    1. Liebe Uschi,

      perfektes Motto: „Mensch, vernetze dich!“ Würde ich mir glatt an die Wand vor meinem Schreibplatz hängen, wenn die nicht dummerweise hinter mir wäre 😉

      Ganz liebe Grüße
      Maria

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