Buchtipp: Monika Bechts Weg in den Ruhestand: „Danke, ich steh lieber“

Buchtipp: Monika Bechts Weg in den Ruhestand: „Danke, ich steh lieber“

Dieses Buch ist vor allem in seinen scheinbaren Kleinigkeiten großartig. Menschen, die wissen, dass ihre Rente bald ansteht, planen gern erst mal eine Reise. Oder zwei. So auch Monika Becht. Doch im Verlauf des Buches zeigt sich, dass die scheinbar spektakulären Reisen nach Südfrankreich und in die USA keineswegs die „eigentliche Reise“ sind. Die wahre Reise steckt in den zwölf Monaten, die sie aus ihrem ersten Jahr im Ruhestand schildert – sagt ja schon der Untertitel ihres Buches sehr klar:

„Danke, ich steh lieber. Mein erstes Jahr im Ruhestand“

Cover von Danke,_ich_steh_lieber._Mein_erstes_Jahr_im_Ruhestand. Monika Becht
Cover von bod

In den Haupttitel habe ich mich sofort verliebt. Er ließ gleich mehrere Filme in meinem Kopfkino losrattern …

Doch auch da: Es sind die Kleinigkeiten, auf die es ankommt. Denn die titelgebende Szene kommt natürlich auch im Buch vor. Mitten in der überfüllten U-Bahn von Boston. Höflich lehnt Becht den freien Platz ab, den eine junge Frau ihr anbietet. Doch kaum ist „die Freundliche“ ausgestiegen, lässt sich Becht „dankbar auf ihren Platz fallen“. Zwei Stationen lang war sie stehen geblieben, hat sich gefragt, was denn eigentlich die „echten Senioren“ sind, wie sie sich erkennen lassen. Und sich gleichzeitig gesagt: „Wie dumm von mir, den angebotenen Platz nicht anzunehmen“. Denn sie ist „müde und energielos“. Klassischer „Befund“ eines „echten“ Seniorenlebens? Die Vergesslichkeit, das nachlassende Sehvermögen … Ja: die klassischen Themen des Älterwedens kommen in diesem Buch auch vor. Natürlich. Doch nie mit dem Holzhammer verabreicht. Sondern fein dosiert, oft regelrecht hintergründig abgestimmt, nicht selten mit einem Lächeln, das ich im Hintergrund zu ahnen glaube.

Noch mal zurück zu der Szene in der U-Bahn von Boston: Im Grunde genommen, steckt darin schon das ganze Buch. Ein Ja und ein Nein, ein Vor und ein Zurück, Ablehnen, Zögern, Annehmen …. Das ist es, was ich mit „fein dosiert“ meine: Monika Becht versteht es zu vermitteln, dass der Prozess des In-Ruhestand-Gehens nie etwas Fixes, Festes sein kann. Auch, wenn sich manche von uns das vielleicht wünschen. Es wird nicht funktionieren. Das macht Becht nicht nur anhand ihrer eigenen Geschichte klar, sondern auch mit Blick auf Freundinnen und Freunde. Es geht immer auch um Loslassen. Oder nicht.

Wie soll es werden, das „Neue“?

Für sich selbst weiß Becht allenfalls, dass sie „nichts Altes mehr aufwärmen“ möchte. Aber: Was soll das Neue sein? Sie lässt sich Zeit dafür. Allein das finde ich großartig. Denn es ist auch so erzählt: flanierend, mäandernd, eher leicht als schwer.

Und: Sie konzentriert sich mehr und mehr auf sich selbst. Vornehmlich auf ihre Erinnerungen. Und ihr Schreiben. Ja, ich gebe zu: Da bin ich bestechlich … Genau das ist auch mein Weg. Und ich glaube: Es ist der Weg vieler Menschen, die bewusst älter werden wollen. Da spielt die Frage „Ruhestand oder nicht?“ dann bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Wenn überhaupt.

Die eingangs erwähnte USA-Reise führte eigentlich zu einem Schreibseminar. Doch schnell muss Becht feststellen, dass sie „enttäuscht“ davon ist. Auch das ist wieder so eine Szene, die stellvertretend für das ganze Buch stehen kann. Denn ihre Enttäuschung führt keineswegs dazu, dass sie aufgibt, postwendend mit einem Gefühl der Enttäuschung nach Hause zurückfliegt. Ganz im Gegenteil: Sie fährt am Atlantik lang, besucht Kunstgalerien und Indianerpfade, entdeckt die Symbolkraft der Hummer  („Transformation und Verjüngung“) – alles nur leicht hingetupft, keine ausführlichen Reiseberichte.

Sie ist auf der Suche, fragt sich „Was traue ich mir zu?“ Und weiß: „Diese Frage begleitet mich schon mein Leben lang“. Eng verknüpft damit ist die Frage: „Kann ich Dinge verabschieden und das Neue begrüßen?“ Das alles erzählt sie nicht theoretisch, sondern mit Hilfe vieler alltagspraktischer, kleiner Episoden.

Das Schreiben. Das Erinnern

„Vor und Zurück“ habe ich oben geschrieben. Und das stimmt: Bechts „Vorwärts“ führt zum Schreiben, aber „damals wusste ich noch nicht, dass persönliche Erfahrungen ein ernstzunehmender Teil des Schreibens waren“. Dieses „Damals“ liegt Jahrzehnte zurück – und holt sie doch immer wieder ein: „Die Erinnerungsarbeit durch das Schreiben hat mich mit meinem Lebensmuster neu verbunden.“

Und sie stellt fest, dass noch immer alles veränderbar ist. Dass sie sich entscheiden kann. Damit macht sie allen Menschen Mut, die sich mit der Zeit des „Ruhestands“ auseinandersetzen wollen – oder müssen. Und ich denke: Das ist schon sehr viel. Mut brauchen vor allem diejenigen, die sich zeitlebens über ihre Berufstätigkeit definiert haben … Ich fürchte, das sind ziemlich viele Menschen. Monika Becht erging es da kaum anders. Das verschweigt sie nicht. Auch nicht, dass „das Erinnern“ manchmal gar nicht so leicht ist.

Das Buch

Das Buch kommt sanft daher, hat es bei aufmerksamem Lesen aber durchaus in sich. Darum: Eine klare Lese-Empfehlung für alle, denen es nicht egal ist, wie sie ihr Älterwerden (er)leben wollen. Oder können. Oder dürfen.

Monika Becht – Danke, ich steh lieber. Mein erstes Jahr im Ruhestand

208 Seiten, ISBN-13: 9783756228522, Preis: 12 Euro als Taschenbuch, 7,99 als E-Book

Verlag: Books on Demand – kann direkt dort bestellt werden. Und überall, wo es sonst noch Bücher gibt.

(Danke an bod: Ich habe ein Rezensionsexemplar bekommen – was allerdings mein Urteil kein bisschen beeinflusst hat …)


 

Ich freue mich, wenn ihr diesen Beitrag in die Welt tragt ... danke!

2 Gedanken zu „Buchtipp: Monika Bechts Weg in den Ruhestand: „Danke, ich steh lieber“

  1. Hallo liebe Maria, sodali. Jetzt hoffe ich, dass ich bei dir kommentieren kann und ich bedanke mich herzlich, dass du das ermöglicht hast. Merciii! Ist eine Weile her, dass wir voneinander gehört oder gelesen haben. Ich freue mich, dass auch du weiter schreibst und wir uns im Älterwerden treffen.

    Dein Buchtipp gefällt mir. Da sind einige Sätze, die mich ansprechen … das Ja und Nein, das Hin und Zurück, und dass es letztendlich immer um Entscheidungen geht. Mir gefällt dass die Autorin von ihren Enttäuschungen schreibt und dann die Perspektive wechselt, nicht aufgibt, und „ihren Weg“ findet.

    Ich werde mir das Buch gern bestellen … kann ich deinen Blogartikel eigentlich „rebloggen“? Ich schaue mal.

    Danke, liebe Maria, und ich hab da noch ein Buch entdeckt das du empfiehlst… da klick ich auch mal hin.

    1. Liebe Petra,

      wie schön, von dir hier zu hören/zu lesen!

      Mit der Kommentarfunktion stimmte leider was nicht, aber durch deinen Hinweis scheint es behoben zu sein. Danke dafür! Jetzt muss ich es immer erst mal freigeben – tu ich liebend gern. Meinst du das mit „einloggen“? Eigentlich müssten wir uns jetzt hier unterhalten können, so lang wir wollen…

      Das Buch ist wirklich exakt so, wie ich es beschrieben habe. Und am Ende findet Monika Becht ihren Punkt des Neuanfangs, um mal kurz zu spoilern 😉
      Viel Spaß beim Lesen!

      Ganz herzlich
      Maria

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