Dialog: Claudia Klinger und ich über Kostenloskultur, Altersarmut und mehr…

Dialog: Claudia Klinger und ich über Kostenloskultur, Altersarmut und mehr…

Die von mir sehr geschätzte Bloggerin und Webdesignerin Claudia Klinger hat mir auf meinen letzten Beitrag „Vom (Un-)Wert der Arbeit“ einen so ergiebigen Kommentar geschrieben, dass ich den Dialog mit ihr gern hier im Blog fortsetzen möchte… Es geht um „Kostenloskultur“, Ehrenamt und alles dazwischen… Online wie im realen Leben.

Claudia sagt:

„… Zum Glück bedeutet mir materieller Wohlstand nicht viel – wobei das natürlich relativ ist, verglichen mit vielen Menschen auf dieser Welt gehts mir ja blendend. Dennoch: wenn der Abstand zur (sicher!) kommenden Altersarmut nicht sehr groß ist, tut es weniger weh – und solange ich tippen kann, seh ich sowieso keinen Grund, mit dem Arbeiten aufzuhören. Weder mit den Brotjobs noch mit den freiwilligen Arbeiten.

Eine Möglichkeit neben dem Bezahlt-Werden ist auch der Leistungstausch – gelegentlich mache ich sowas, vornehmlich mit Menschen, die ich ein bisschen kenne.

Die „Kultur des Kostenlosen“ hat ja im übrigen durchaus zwei Seiten. Wir partizipieren auch fast alle irgendwie davon: kostenlose Bilder, WordPress-Themes, viele hilfreiche Tools – und nicht zu vergessen die wahnsinnig fortgeschrittene Möglichkeit, sich blitzschnell über fast alles zu informieren, was gerade interessiert – oder auch wirklich gebraucht wird! Würde man das alles in Geld bezahlen müssen… ginge gar nicht, wir wären sehr viel ärmer!

Dass wir dafür Daten abgeben und Werbung gezeigt bekommen, stimmt – aber auch nicht überall und immer. Und ganz ehrlich: mit mir macht niemand so viel Geschäft, dass es in Euro gerechnet dem entsprechen würde, was ich von der Welt des Kostenlosen bekomme!

Kommt also alles auch ein bisschen auf den Blickwinkel an…“

Liebe Claudia,

was die „relative“ Anspruchslosigkeit und den Leistungstausch angeht, bin ich ganz bei dir.

Und natürlich kommt alles auf den Blickwinkel an…. Genau das ist auch mein Punkt. Ich bin – wie so viele unserer Generation – mit einer ganz bestimmten Haltung älter geworden:

  • Wo du helfen kannst, tus! Fragen wie die nach der eigenen Kraft oder gar nach Bezahlung kamen mir lange überhaupt nicht in den Sinn.
  • Ich habe ein paar „Gaben“. Und die teile ich, immer und überall gern. Und zwar schon lange, schon vor den Zeiten des Internet.
  • Wenn was zu tun ist, tus einfach. Warte nicht auf andere, gar von oben/außen kommende Lösungen. Ich hab mich dabei immer stark, unabhängig, nicht konform, ein klein bisschen rebellisch, mindestens eigenwillig gefühlt. Und großartige Menschen kennengelernt. Die tolle Dinge auf die Beine gestellt haben – und ich mit ihnen. Daran hat sich eigentlich nichts geändert – auch, wenn sich manches davon inzwischen ins Internet verlagert hat.

Nein, nicht das Internet ist „schuld“

Vor allem der letzte Punkt ist mir wichtig: Ich mache nämlich ganz sicher nicht das Internet für die Schieflage unserer Arbeitswelt verantwortlich. Auch wenn die „Kultur des Kostenlosen“ natürlich häufig hier stattfindet. Aber sind nicht auch das ehrenamtlich organisierte, interkulturelle Straßenfest oder der Tango-Abend im Innenhof unter Nachbarn, der Tag der Offenen Tür in einer Kultureinrichtung…. und, und, und – sind all diese Dinge nicht auch „Kultur des Kostenlosen“? Das alles wird ehrenamtlich organisiert. Der Einfachheit halber tendiere ich dazu, kostenlose Online-Arbeit auch gleich „ehrenamtlich“ zu nennen. Natürlich höre ich den Aufschrei der „Netzies“ sofort…: „Wir?! Wir arbeiten doch nicht ehrenamtlich!!!“ Klar, dieser Begriff wird oft mit „alten Frauen was vorlesen“, Hospizarbeit oder Kegelverein und Co. assoziiert. Lauter eher unattraktive Sachen. Also ist es wohl besser, die Kostenloskultur im Internet zwischen Ehrenamt und Tauschwirtschaft zu platzieren. Denn alles, was du beschreibst, stimmt natürlich: Ich gebe und ich bekomme. Also tatsächlich „Tauschwirtschaft“. Oder gute Netzwerkarbeit. Lauter Dinge, die ich absolut schätze, häufig selbst tue. Wie auch das „ehrenamtliche Engagement“… Obwohl: Letzteres zunehmend weniger….

Ehrenamt und (Selbst-)Ausbeutung

Ich finde: Wenn man mal damit anfängt, unsere „Arbeitswelt“ unter die Lupe zu nehmen, die ein oder andere Frage stellt und das alles addiert, dann kann man ziemlich erschrecken. Ich jedenfalls bin erschrocken. Mein Augenöffner war die Sache mit der Pflegeversicherung, konkret: Dr. Tine Haubner mit ihrem Buch „Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft – Laienpflege in Deutschland.“ Sie sagt zum Beispiel: „Die 1995 eingeführte deutsche Pflegeversicherung ist eine ‚beitragsfinanzierte Teilkaskoversicherung‘ in Abgrenzung zu einer ‚bedarfsorientierten Vollkaskoversicherung‘, das heißt, die budgetierten Versicherungsleistungen decken lediglich einen Teil der entstehenden Kosten ab und sollen die informelle Pflege durch Angehörige, Nachbarn oder Freunde nur ‚ergänzen‘ (§4 SGB XI). Sie setzt die Bereitschaft zur unbezahlten Übernahme pflegerischer Tätigkeiten durch soziale Netzwerke immer schon voraus.“ (Quelle:

Da stand ich – und guckte erst mal blöd: „immer schon vorausgesetzt“?! Weniger Anerkennung von ehrenamtlicher Arbeit, als dass sie „der Staat“ immer schon vorausgesetzt hat, geht ja wohl nicht! Dann fielen mir all die schrecklichen „Ehrenamtstage“ ein (für die ich einst kräftig PR-Arbeit gemacht habe…): Oberbürgermeister lobt Hunderte von Ehrenamtler/innen, ruft zur „Stärkung des Ehrenamts auf“, verteilt seltsame Orden, manchmal sogar kleine Geldbeträge… Fand ich immer schon mindestens hilflos, genau genommen richtig peinlich, um nicht zu sagen: verlogen.  Denn da prallen zwei Dinge aufeinander, die absolut nicht vereinbar sind: Politiker mit extrem guten Gehältern, Sozialleistungen etc. zeichnen Menschen aus, die kostenlos arbeiten! Und zwar ausdrücklich „für uns alle“. Betont der Oberbürgermeister dann auch immer gern. Ich finde: Das geht gar nicht!

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Achtung, Gegeneinander-Ausspielen droht! (Altersarmut sowieso…)

An dieser Stelle reicht es meiner Ansicht nicht mehr, nur den Blickwinkel zu ändern. Da geht nur noch Entweder-Oder. Entweder unser „demokratisch-sozial-marktwirtschaftlicher Kapitalismus“ (den ich an dieser Stelle nicht diskutieren will. Es ist das Material, das wir haben. Alles andere wäre noch schlechter, denke ich. Klar: Vieles könnte umgewichtet, neu bewertet werden… Aber das ist noch mal ein anderes Fass. Mach ich jetzt nicht auf.) Oder niemand wird für seine Arbeit bezahlt – was natürlich pure Utopie ist. Aber so, wie es ist, haben wir uns mal eben dazwischen gesetzt – eine ganz schlechte Position! Denn da beginnt das, was mich grade so wütend macht: Damit können wir nämlich alle ganz wunderbar gegeneinander ausgespielt werden (oder tun es – unfreiwillig – schon von ganz allein…):

  • Viele Rentnerinnen und Rentner müssen ihre Rente aufbessern. Und wo sind die passenden Jobs? Werden zu großen Teilen bereits von Ehrenamtlern erledigt. (Bitte nicht falsch verstehen: Die machen das in aller Regel wunderbar! Das ist überhaupt nicht die Frage!)
  • Ganz schlimm wird es, wenn es um sehr emotionale Bereiche geht: Das ist natürlich vor allem bei häuslicher Pflege der Fall… „ehrenamtlich“ pflegende Angehörige sind nicht dafür ausgebildet, setzen oft die eigene (psychische) Gesundheit aufs Spiel – und beziehen ihre ganze Kraft aus der emotionalen Nähe zum gepflegten Menschen. Hauptamtlich Pflegende dagegen sind oft machtlos in Arbeits- und Bezahlsystemen gefangen, ihre wichtigste Kraft ist die Professionalität. Da steht am Ende Emotion gegen Professionalität… Das kann prima gegeneinander ausgespielt werden, denn BEIDES ist notwendig.
  • Wenn Text, Grafik etc. im Internet kostenlos angeboten werden, geht es anfangs oft „nur“ um soft skills wie Offenheit, Glaubwürdigkeit – und Eigen-PR. Spätestens da beginnen die finanziellen Interessen: das Werben um Kunden. Danach kommen im Bereich der bezahlten Arbeit erst mal all die Click-(oder Crowd-)Working-Plattformen mit Stundenlöhnen größtenteils weit unter dem Mindestlohn, dann lange gar nichts mehr, dann die Freiberuflerinnen und Freiberufler. Für die wird es immer schwerer, angemessen bezahlt zu werden – ein realistischer Stundenlohn für Selbstständige ist potentiellen Kund/innen nur noch mit Mühe vermittelbar.
  • Und alle, die im Netz als freiberuflich Arbeitende über „Kostenloskultur“ auf sich aufmerksam machen, schaden dem/der nächsten, übernächsten. Denn das Prinzip geht ja so: Wer zuerst kostenlos Tipps, Tools und anderes zu Thema XY anbietet, macht sich damit einen Namen – gewinnt also sicher einige Kunden. Alle anderen, die zum gleichen Thema arbeiten wollen, haben es sehr schwer, sich dann noch einen Namen zu machen. Kunden erwarten selbstverständlich „das Kostenlose“ von allen Anbietern, denken aber im Traum nicht dran, einen „noname-Dienstleister“ angemessen zu zahlen. (Ist übrigens meine Haupterklärung dafür, wieso jeden Tag eine neue Sau lautstark durchs Netz getrieben werden muss…)
  • Trotz all dieser Schwierigkeiten gibt es immer mehr Soloselbstständige. Ein großer Teil davon sind über 45-jährige Ex-Arbeitslose, für die das die „letzte Chance ist, noch ein eigenes Einkommen zu erzielen“. Von allen Soloselbstständigen sagen das rund 40 Prozent  – sie sind also mehr oder weniger „unfreiwillig“ selbstständig: „Die Wahrscheinlichkeit unfreiwilliger Selbstständigkeit steigt mit zunehmendem Alter“ (Aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung, hier).
  • Freiberufler/innen haben immer mehr Probleme, sich die eigene Sozialvorsorge zu leisten – ja, das schreibst du auch: Das wird noch richtig böse, Stichwort Altersarmut. Für jüngere Menschen jetzt schon ein Reizwort… Ganz klar: Hier steht Jung gegen Alt!
  • Ganze Berufszweige sterben aus. Ich hab zum Beispiel als freie Journalistin vor rund 23 Jahren einen Teil meines Einkommens mit Buchbesprechungen verdient (nein: kein „abgehobenes“ Feuilleton, sondern ganz alltägliche Monats- und Tageszeitungen) – heute völlig undenkbar! Keine Frage: Es gibt super tolle Buchblogs, Buchrezensionen auf großen und megagroßen Plattformen können auch wirklich hilfreich sein, ABER….

Und wer jetzt denkt „Klar, Text und Co, das war immer schon brotlose Kunst – also kein Wunder! Was beschwert die sich eigentlich?“, dem sei gesagt: Neulich schrieb mir ein Softwareentwickler, dass auch ihm potentielle Kunden statt echter Bezahlung schon das „Modell Umsatzbeteiligung bei Erfolg“ angeboten haben (mehr dazu hier) Und: „Crowdsourcing kann in allen Teilen des Wertschöpfungssystems angewendet werden. Es gibt im Moment eine regelrechte Welle, solche Arbeitsformen in den Unternehmen zu etablieren. So hat der Autobauer Daimler angekündigt, den Themenkomplex „Autonomes Fahren – Digitalisierung – Car Sharing und Elektromobilität“ in einem „Schwarm“ bearbeiten zu lassen; 20 Prozent der Beschäftigten sollen demnächst in Schwarmorganisationen mitarbeiten. […] Airbus, BMW oder VW arbeiten etwa derzeit mit externen Plattformen zusammen“, Quelle: IG Metall)

Ganz ohne „Kostenloskultur“ geht es dann wohl auch wieder nicht…

So weit mein akutes „Erschrecken“. Eine Lösung habe ich (noch) nicht. Nur eine Ahnung: Die Sache mit dem Ehrenamt, der kostenlosen Arbeit – wie immer man es nennen mag -, die werde ich für mich noch mal gründlich überdenken! Auch wenn es regelrecht wehtut. Denn diese Möglichkeiten, einfach „was zu tun“, im eigenen Auftrag oder in Gruppen mit ähnlich gesinnten Menschen zu handeln, gemeinsam was zu erreichen – oder auch nicht, jedenfalls was TUN zu können, etwas, das sinnvoll ist, Gemeinschaft schafft, hilfreich oder einfach nur Lebensfreude, Tanz und/oder Kultur ist – das ist ohne Frage toll, gehört eindeutig zu meinem Selbstbild, gibt mir ein gutes Gefühl… Also werde ich es sicher nie ganz aufgeben. Mich aber doch so oft wie möglich fragen: Wenn ich das jetzt kostenlos tue – nehme ich irgend einem anderen Menschen damit vielleicht die Chance, dafür Geld zu bekommen?!

Klar: Das ist eine ganz und gar rhetorische Frage – denn diese Option gibt es  ja meist gar nicht… Das Bewusstsein, dass statt kostenloser Arbeit für vieles eigentlich auch Geld verlangt werden könnte, das ist einfach (noch) nicht vorhanden. Und ich denke: Eben genau darum, weil es noch viel zu viel „ehrenamtlich Erledigtes“ gibt… Da herrscht weder Druck noch Not, da wird mit „Währungen“ wie Empathie, Selbstbestätigung, Handeln-Wollen und -Können, Gemeinschaft etc. bezahlt. Ist ja auch nicht per se verwerflich. Aber was entsteht daraus? Es ist – gesamtgesellschaftlich, mit Blick auf unsere Arbeitswelt(en) – mindestens ein sehr zweischneidiges Schwert….

An diesem Bewusstsein zu arbeiten, das wäre ein netter, neuer Plan… So etwas würde ich gern voran bringen. Und wie mache ich das? Klar, mal wieder ohne Bezahlung. Okay, ohne Kostenloskultur geht es also wohl nicht… Aber ich finde, es ist schon etwas gewonnen, wenn man sich das Prinzip dahinter mal klar macht.

Ich freue mich, wenn ihr diesen Beitrag in die Welt tragt ... danke!

9 Gedanken zu „Dialog: Claudia Klinger und ich über Kostenloskultur, Altersarmut und mehr…

  1. Es ist gut das es -gerade wenn es um die Pflege geht -Ehrenamtliche gibt, die auch den Außenkontakt für viele Menschen in den Altenheimen aufrechterhalten. Aber wenn dadurch Personal eingespart wird, das gut ausgebildet und hochmotiviert ist, -weil es ja billiger ist „ne Ehrenamtliche mal ein Märchen vorlesen zu lassen, „dann läuft etwas schief. Ich sehe es bei meiner Arbeit täglich- wir Kollegen würden gerne viel mehr Zeit mit unseren Gästen verbringen, breiten uns in unserer Freizeit vor, aber wir müssen ja sparen, mehr Personal gibt’s nicht-, dann frage ich mich oft was solche Pflegereformen die alle paar Jahre werbewirksam eingeführt werden bringen. Für die Menschen die in der Pflege arbeiten wird es weder finanziell noch arbeitsentlastender und die zu pflegenden Menschen bekommen auch nicht mehr Zuwendung oder Zeit. Noch sind viele Pflegekräfte motiviert, aber mir graust es schon davor wenn wir mal Pflege benötigen. Was ist dann? Wenn jetzt nicht gehandelt wird, wann dann?

    1. Liebe Eva,
      ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar! Ich weiß: Ich hab da ein schreckliches Fass aufgemacht… Gerade über Pflege und Ehrenamt lässt sich noch so viel sagen, da ist noch ganz viel zu tun…. Mir wird grad schon selbst ein wenig bang bei dem, was ich hier begonnen habe…. Aber Augen zumachen nutzt ja gleich gar nix!

      Viele Grüße
      Maria

  2. Liebe Maria,

    erstmal danke für die Wertschätzung, ich fühle mich geehrt und bin ganz gerührt, dass du meinem Kommentar eine solche Relevanz einräumst!

    Aber schön, dass er dich zu einem so umfangreichen, viele Probleme rund ums bezahlte und nicht bezahlte Arbeiten umfassenden Artikel inspiriert hat.

    Dein Artikel hat übrigens 12869 Zeichen und 1881 Wörter. In Schriftgröße 12 ergibt das 3,5 klassische Din A4-Seiten. Eine aktuelle Quelle gibt als Honorarspanne für Online-Journalisten für Texte dieses Umfangs eine Beitragspauschale zwischen 120,- und 700,- Euro an.

    Nun ist das ja keine Auftragsarbeit, sondern deine persönliche Meinungsäußerung, ein Stück Selbstausdruck, das aber in dieser Netzkultur des Kostenlosen ganz selbstverständlich mit vielen anderen Texten konkurriert, für die traditionell – früher einmal – Geld bezahlt wurde oder sogar heute noch bezahlt wird.

    Nimmst du somit anderen „die Arbeit weg?“ Ja und nein. Das „Ja“ würde in einer Welt stimmen, in der vergleichbare Arbeit fast nur gegen Bezahlung zu haben war – aber diese Welt ist untergegangen, machen wir uns nichts vor.

    Gerade der Journalismus und viele „mach was mit Medien“ sind extrem vom Strukturwandel betroffen, was nicht wundert. Man wird von Medieninhalten heute ja eher zugeschüttet, als dass da ein Mangel wäre – die Voraussetzung, um zu bezahlen.

    Von extrem mies bezahlten Autoren und Journalisten und den immer mehr „sparenden“ Verlagen berichtet z.B. recht eindrücklich CARTA (Medienhonorare: David gegen Goliath) – typischerweise ist CARTA ein ehrenamtlich betriebenes Projekt, das ganz selbstverständlich kompetente Leute um Beiträge bittet – ohne Honorar natürlich. Sic!

    Die Verlage erscheinen hier zwar als „die Bösen“, doch sind sie ja tatsächlich diesem Strukturwandel weg von alten Geschäftsmodellen ausgesetzt – und neue, die das alte Niveau tatsächlich ersetzen könnten, sind nicht in Sicht.

    Einst gut bezahlte Arbeit wird wo immer möglich heute „prekarisiert“ und einer sich schnell wandelnden, unsteten „On-Demand-Welt“ angepasst. Wo verschwindet das Geld hin? Nach oben, na klar – und es ist zu fürchten, dass irgendwann nicht mehr genug zahlungsfähige Kunden übrig sind, um den Betrieb am Laufen zu halten. Das ist das mit den „Widersprüchen des Kapitalismus“ – aber du hast recht, es nützt uns nichts, dieses Fass aufzumachen. Wir haben ja keine Alternative.

    Nun zu ein paar Einzelpunkten:

    1. Kostenlose Demo-Leistungen:

    Du prangerst die übliche Vorgehensweise von Freiberuflern an, kostenlos so manches abzugeben, um sich einen Namen zu machen. Ich selbst bin 1997 übehaupt nur so – aber absichtslos! – in die Selbständigkeit gerutscht.Vom neuen Web begeistert, hatte ich schon 1996 diverse eigene, natürlich komplett nonkommerzielle Projekte betrieben – und so kamen auf einmal Kunden an, die wollten, dass ich auch für sie Seiten baue. Mir war das recht, konnte ich doch so tun, was mir Freude macht, sogar bezahlt, wow! 🙂

    Es ist nicht allein der Faktor „kostenlos“, der Kunden anzieht. Du musst als Freiberufler zeigen, dass du in irgend einer Weise etwas neuer, anders, besser, kreativer, spezieller machst als das, was da sonst so gemacht wird. Und dafür ist kostenlose Vorarbeit praktisch unverzichtbar, denn wie soll man das sonst zeigen?

    Das ist übrigens nicht neu, es ist der Systemdruck zur „Innovation“, der ja nicht unbedingt nur negativ bewertet wird. 08/15 machen dann die Klick-Worker und zunehmend auch Programme (Klassisches Webdesign ist ja heute fast gestorben, es geht da eigentlich nurmehr um ein bisschen Oberflächenanpassung vorhandener Tools, die mehrheitlich kostenlos zu haben sind).

    2. Zur Pflege:

    Ja, da ist viel Elend und Ungerechtigkeit! Es ist dem Staat aber aus meiner Sicht nicht vorzuwerfen, dass nicht gleich die ganze Pflege bezahlt werden sollte. Schließlich gab und gibt es eine Kultur der häuslichen Pflege, die auf Familie und Beziehung beruht. Das nun auf einmal voll durchzukommerzialisieren wäre sehr seltsam, unpassend und auch unbezahlbar teuer geworden (die Beiträge müssen ja dann auch bezahlt werden und denk nur mal dran, wie es sich jetzt schon mit den Krankenkassenbeiträgen verhält!).

    Für die häusliche Pflege gibts heute immerhin Pflegegeld, das sogar durch Sachleistungen (=kommerzieller Pflegedienst) deutlich erhöht werden kann. Es ist nicht genug, klar – aber da bleibt uns nichts, als auf die Politik einzuwirken, immer mal wieder die Sätze zu erhöhen. Politik ist die Kunst, Interessen auszugleichen und Kompromisse umzusetzen – lies dich mal durchs Web, wie vielerorts auf die hohe Abgabenlast, die „ausufernde Staatsquote“ und die steigenden Sozialausgaben geschimpft wird! Nicht dass ich mich dem anschließe, aber ich sehe eben auch, dass viele es gar nicht schätzen, wenn die Zwangsbeiträge steigen und ihnen weniger netto vom brutto bleibt.

    3. Zum klassischen Ehrenamt:

    Aus meiner Sicht muss das bleiben wie es ist: allenfalls eine kleine Aufwandsentschädigung, aber im Prinzip unbezahlt. Es ist gut, dass es noch Bereiche gibt, in denen Menschen sich sozial engagieren, ohne dass es in irgend einer Weise um Geld geht. Geradezu wohltuend! (Und dass sie geehrt werden, ist ihnen zu gönnen! Würden sie es nicht mögen, würden sie nicht hingehen. Aber es wünschen sich schließlich alle Anerkennung und positives Feedback!)

    Kürzlich wollte mich ein Pflegedienst dazu bewegen, auf Kunst-des-Alterns.de über ihr „hoch innovatives“ Angebot zu schreiben: Nicht nur klassische Pflegeleistungen, sondern auch Gespräch, Kontakt, Spazieren gehen etc. – natürlich gegen Honorar. Ich hab die Seite besichtigt und festgestellt, dass sie diese Arbeit als prekäre Jobs erledigen lassen. Interessierte können da bis max. 15 Std. Woche tätig werden und „eine erfüllende Arbeit mit Menschen“ erleben. Ich hab ihnen geantwortet, dass das wahrlich nicht innovativ ist, sondern man sich schon immer Gesellschaft für Geld kaufen konnte. Und das ich zu jenen gehöre, die sich das nicht werden leisten können – genau wie ihre prekären Jobberinen, die nicht mal auf „halbtags“ kommen.

    Du fragst, wo die Jobs für die Rentner herkommen sollen? Das müssen wir gar nicht so begrenzen, sondern können die Frage auf alle Jobs anwenden: Wo wird künftig noch Geld verdient?

    -> beim Staat (solange er genug Steuern eintreiben kann) und staatsnahen Institutionen.

    -> bei Stiftungen und per Crowdfunding – also von Spendern finanziert, die bestimmte Zwecke fördern wollen und es sich leisten können.

    -> ansonsten als Dienstleister für den tatsächlichen Bedarf (!) von Firmen und Personen, die gut Geld verdienen bzw. in ihrem Bereich noch Profit machen.

    Alles andere fällt derzeit beschleunigt weg, insbesondere in der Medienwelt. Da kannst du schön beobachten, was bleibt, bzw. wohin sich alles verlagert: Nicht der Endkunde/Leser/Zuschauer zahlt, sondern der Werbungtreibende – und zwar kaum mehr für Anzeigen/Banner, sondern für „native Advertising“. Das kannst du auch bei vielen Blogs beobachten, die sich in deinem Verzeichnis anmelden: es geht immer mehr um Produkte – na klar, denn nur so gibts eine finanzielle Perspektive.

    Das alles ist nicht schön, aber Fakt. Ich habe nicht den Schimmer einer Hoffnung auf einen „Bewusstseinswandel“ in dem von dir angesprochenen Sinn! Wir leben inmitten „disruptiver“ Mega-Veränderungen und können gegen den Megatrend nichts ausrichten. Manchmal denke ich: Die Strukturen und Techniken für eine Welt ohne Geld stehen eigentlich bereit – nur wir Menschen sind nicht in der Lage, unsere Wirtschaft grundstürzend zu erneuern. Also „überfährt“ uns der Wandel und wir müssen uns halt durchwursteln. Ich denke, wir können derzeit nicht mal wirklich sehen, wohin es geht…

    Durchwursteln: bisschen Dienstleisten, mal was Crowdfunden, bei PR und Werbung mitmachen, möglichst ohne uns zu sehr zu verbiegen – und teilen, spenden, kostenlos geben und nehmen – in Menschen, in Beziehungen „investieren“, nicht so sehr in Dinge und Status.

    Ist viel zu lang geworden, ich weiß!

    1. Liebe Claudia,

      ganz herzlichen Dank dafür, dass du noch mal so ausführlich in die Diskussion „eingestiegen“ bist! Und ja: Es ist mir völlig klar, dass das, was wir beide – und sehr viele anderen Online-Aktive, vor allem Blogger/innen – hier tun, ständig unbezahlte Arbeit ist. Dass das ein sehr „zweischneidiges Schwert“ ist, hab ich ja schon gesagt.

      Mir ist auch klar, dass ich hier eigentlich viel zu viele Themen gleichzeitig im Blick habe… Aber grade darum ging es mir unter anderem auch: Mal Dinge ZUSAMMEN in den Blick zu nehmen, die sonst nur selten so betrachtet werden. Für mich jedenfalls entstehen nur so neue Aspekte. Und da es kaum Raum dafür gibt, solche Aspekte gegen Bezahlung öffentlich zu machen, muss ich es halt „auf eigene Kappe“ tun – und auf bis zu 700 Euro verzichten (die ich – im Ernst! – nie und nirgendwo dafür bekommen hätte…)

      Ja, du sagst sehr richtig, dass es an diesen (und vielen anderen) Text-/Grafik- und anders kreativen Angeboten keinen Mangel mehr gibt, dass darum hier keine angemessenen Preise mehr bezahlt werden können, weil eben kein Mangel besteht. Aber da beißt sich ja die Katze in den Schwanz: Die „kostenlose Kultur“ wird damit gleichzeitig zur Ursache und zum einzigen Weg, sich dagegen behaupten zu können. Genau das nenne ich „zweischneidig“. Und es ist kaum oder gar nicht lösbar… (So was macht mich halt ab und an einfach wütend, dieses Gefühl von Hilflosigkeit.)

      Du schreibst noch einen anderen wichtigen Satz (ne, viele!): „Diese Welt ist untergegangen, machen wir uns nichts vor“. Da schlage ich jetzt mal den Bogen zu dem Thema, um das es mir in diesem Blog ja eigentlich geht: dem Älterwerden. Wenn aus dem „Wert“ von Arbeit plötzlich ein Un-Wert wird, setzt das ja immer eine Entwicklung voraus – und die können am allerbesten jene Menschen im Blick haben, die diesen Prozess erlebt haben. Und das haben wir alle, die wir „50plus“ sind. Wir erinnern uns an den Wert unserer Arbeit, bekommen ihn aber nicht mehr gespiegelt, das ist kaum noch real. An dieser Stelle gehöre ich nicht zu denen, die das „nur“ an der Bezahlung festmachen… Da stimmt dann nämlich auch, was du mit Blick auf das Ehrenamt sagst: „… es wünschen sich schließlich alle Anerkennung und positives Feedback“ – genau das stört mich unter anderem an diesen „Ehrenamtstagen“: Dass sie INSZENIERT werden müssen. Weil sonst Anerkennung gar nicht stattfindet. Weder dort noch in der Freiberuflichkeit sollte es öffentliche Lobhudeleien brauchen, um den Wert der Arbeit gespiegelt zu bekommen. In beiden Fällen sollte es um die Anerkennung von Professionalität gehen – das ist im „klassischen Ehrenamt“ schwierig bis unmöglich – gerade, weil es da noch um andere, emotionale Werte geht. Aber wenn Freiberuflichkeit zu großen Teilen aus Kostenloskultur besteht, stimmt m.E. was nicht. An dieser Stelle sollte Anerkennung ganz schlicht aus angemessener Bezahlung für professionelle Leistung bestehen. Nicht zuletzt darum, weil 1,382 Millionen Selbstständige mit einem Verdienst unter dem Mindestlohn direkt in die Altersarmut unterwegs wären.

      Außerdem würde ich sagen: Auch die Welt von 1997 ist inzwischen untergegangen. Eine Welt, in der eine – absolut verdiente! – „Karriere“ wie deine möglich war. Auch da gibt es eine Verbindung zwischen Älterwerden und all dem, wovon ich hier spreche: Wirklich viele Menschen, die ab 45 arbeitslos werden, sehen als „letzten Ausweg“ die Selbstständigkeit. Bedeutet: Wir werden ständig mehr, bieten mehr und mehr „Kostenloskultur“. Und entwerten damit den Wert unserer Arbeit täglich weiter. Keine Frage: Ich gehöre dazu. Leider.

      Was du unter „durchwursteln“ beschreibst, tue ich (bis auf Crowdfunden) ja schon alles.. Und: Gerade das Teilen/Geben, Beziehungen pflegen, in Menschen „investieren“ ist dabei nichts, was ich mir wie ein Marketingprogramm „auferlegen“ musste, das war und ist mir ein echtes Bedürfnis. Vielleicht ist genau darum die Erkenntnis/Erfahrung ziemlich schmerzlich, damit nur minimal und sehr, sehr mühsam in Kleinstschrittchen Erfolg zu haben – was nun wieder einen wichtigen Grund sicher darin hat, dass wir so viele sind. Und eine Sache wie ein potentieller Kunde, der „professionelle Dienstleistungen“ gegen unabsehbare Umsatzbeteiligung von mir haben will (das war mein Auslöser für diese ganze Geschichte… nachzulesen hier: http://www.verlag-texthandwerk.de/lektoratsarbeit/), die bringt dann mein Fass erst mal zum Überlaufen… Das wiederum ist ein Grund, warum ich solche Beiträge – zumindest in dieser Form – nie verkaufen könnte: viel zu persönlich! (Und viel zu lang… Aber genau das genieße ich! Ist ja sonst auch eher selten möglich….)

      Darum sage ich an dieser Stelle, durchaus dankbar: Ein Blog ist der beste Ort für so etwas. Und noch dankbarer bin ich für die Menschen, die mit mir in diesem Blog diskutieren! Ohne „Internet-Kultur“ – die ihre Wurzeln nun mal in der Kostenlosigkeit hat – ginge das alles nicht. Ja: Ich bin dankbar dafür. Und hadere doch ein bisschen damit… Ich sag ja: „zweischneidiges Schwert“…

      Ganz dicken Dank an dich!
      Maria

      1. Liebe Maria,

        mal voraus geschickt: Ich war in meinem ganzen Berufsleben insgesamt nur ganz wenig/selten mal „angestellt“ – zum einen am „selbst geschaffenen“ Arbeitsplatz und zum anderen von einer ABM-Maßnahme ausgehend, während der ich zügig als Projektleiterin engagiert wurde. Und ganz früher noch ein paar Studi-Jobs für ein paar Monate.

        Deshalb hab‘ ich evtl. einen anderen Blick auf die Dinge, weil ich immer schon „prekär“ lebte, dafür weitgehend selbstbestimmt und meinen jeweiligen Intentionen folgend. Mal selbständig, mal auf Honorarbasis, auch mal ALHI und wieder raus. Das Angestellten-Dasein erschien mir aufgrund meiner Erfahrungen während des Studiums (Landes- und Bundesbehörden, kleine Unternehmen, Großunternehmen) eher als Hölle denn als etwas Erstrebenswertes. Und ich bedauere meine Vita nicht, weil sie mich in die Altersarmut führt, sondern würde alles genauso wieder machen! 🙂

        Deine Unternehmung, verschiedene Dinge zusammen zu denken, ist gewiss inspirierend, gerät aber an Grenzen. Ich finde, man muss immer unterscheiden, wer Kunde/Auftraggeber ist oder „nur“ Adressat.

        Die Leser/innen und Kommentierenden unserer Blogs sind in aller Regel keine Kunden – und du hast Recht mit der Aussage, dass 1997 noch eine andere Welt war. Denn das Netz war neu, es gab vergleichsweise wenige Webseiten und noch weniger Leute, die sich da eingearbeitet hatten. Von daher war die Chance, unter den Lesenden auch Kunden zu finden, DEUTLICH größer als heute!

        Heute muss man als Neue/r mehr werben, sich was einfallen lassen, persönlich netzwerken… und ja, gerade Text / Schreiben ist ziemlich überlaufen. Da hilft dann nur eine Spezialisierung (ich lebe z.B. länger schon zu wesentlichen Anteilen von meiner beiläufig durchs Hobby erfolgten Spezialisierung auf Gartenthemen).

        Eine Lehre aus meinen Erfahrungen mit Auftraggebern aller Art: Nur die, die selbst gut verdienen, sind zur „wertschätzenden Normalbezahlung“ in der Lage.

        Alle anderen versuchen,

        -> mit „Kostenlosem“ selber zu machen,
        -> möglichst billige Angebote zu suchen,
        -> bei Freunden und Verwandten Gefälligkeitsarbeit anzufragen –
        -> oder eben auch Beteiligung bei Erfolg anzubieten.

        Letzteres hatte ich auch schon in den 90gern, ist gar nicht sooo ungewöhnlich und wenn es etwas ist, bei dem ich wirklich Chancen sehe, dass auch genug Geld reinkommt, wäre ich nicht zwingend dagegen. (Das ist aber bei Privatleuten, die „mal ein Buch machen“ wollen, in aller Regel nicht so.)

        Dass manche lieber die angebotene Leistung mies machen anstatt einfach zu sagen: sorry, das kann/will ich mir zu dem Preis nicht leisten, ist halt ein Charakterdefizit, für die Analyse der Arbeitsmarktsituation aber nicht wirklich hilfreich.

        Beim klassischen Ehrenamt erfolgt die Wertschätzung in der Regel durch die Arbeit selbst. Wenn jemand z.B. Pate für jugendliche Flüchtlinge wird, liegt der „Lohn“ darin, zu sehen, wie nützlich und aufbauend die Arbeit ist. So etwas wie einen Arbeitgeber im üblichen Sinn gibt es ja nicht – also wird Anerkennung wenigstens inszeniert, damit sie eben auch öffentlich wird, über die Beziehungen hinaus, die im Ehrenamt entstehen. Ich wüsste jetzt nicht, wie das anders passieren sollte!

        Für die Arbeit als Freiberufler im Textbereich (und die Chance auf wertschätzende Bezahlung) ist die „Konkurrenz“ der kostenlos Schreibenden ein stark limitierender Faktor – und zwar vor allem in der Konkurrenz um die Aufmerksamkeit.

        Es ist nicht deshalb schwierig, weil etwa viele Freiberufler zuviel umsonst anbieten, sondern deshalb, weil heute ALLE publizieren können: Texte, Videos, Podcasts… und selbstverständlich ergreifen auch viele Menschen diese Möglichkeit, um sich auszudrücken, auszutauschen, ihre Interessen zu vertreten und Ansichten zu teilen (wie wir jetzt hier).

        Dies alles ist Arbeit, die niemand bezahlen will und wird – jedenfalls nicht die Adressaten, allenfalls kann man Werbung einbinden. Es sind diese massenhaft herum stehenden Inhalte, die überall leicht erreichbar sind und mit denen man viele interessante Stunden zubringen kann, ohne an Bezahlung auch nur zu denken – weder als Publizierende noch als Publikum!

        Das aber können wir uns nicht wirklich wegwünschen. Es ist ja ein Stück weit die Erfüllung eines alten Traums: der Besitz der Produktionsmittel mit Selbstbestimmung der Inhalte.

        Dass es da Side-Effekts auf die „normale Arbeit“ gibt, ernsthafte Kollateralschäden einer neuen Freiheit – dafür müssen wir andere/neue Lösungen finden, es wird nie wieder so werden wie früher!

        Soweit für jetzt.. lieben Gruß!

        1. Liebe Claudia,

          noch mal ganz herzlichen Dank für so viel kostenlose Arbeit 😉 !

          Ja, ich sehe diesen Kommentar wirklich als eine Art Fazit. Ein für mich schmerzliches: „Für die Arbeit als Freiberufler im Textbereich (und die Chance auf wertschätzende Bezahlung) ist die ‚Konkurrenz‘ der kostenlos Schreibenden ein stark limitierender Faktor – und zwar vor allem in der Konkurrenz um die Aufmerksamkeit. Es ist nicht deshalb schwierig, weil etwa viele Freiberufler zuviel umsonst anbieten, sondern deshalb, weil heute ALLE publizieren können.“ Leider absolut richtig. Was mich selbst angeht, werde ich versuchen müssen, die Konsequenzen daraus zu ziehen….

          Was allerdings mein Unbehagen gegenüber der „kostenlosen Arbeit“ – ganz egal, wo und in welcher Form – angeht: Das bleibt. Es können nach meinem Verständnis einfach nicht zwei Formen von Arbeit gleichzeitig nebeneinander bestehen: die „klassisch bezahlte Arbeit“ UND die kostenlose/getauschte/ehrenamtliche Arbeit. So wie ich unsere Entwicklung sehe, wird die zweite Form von Arbeit die erste immer weiter „aufweichen“, es wird (eben über den Preis!) ein Hauen und Stechen um bezahlte Arbeit geben, wir sind in Gefahr, uns gegeneinander ausspielen zu lassen… Das sind und bleiben meine Befürchtungen. Aber ich fange jetzt nicht wieder von vorne an… 😉

          Noch mal: Danke für alles!
          Herzlichen Gruß
          Maria

  3. „alten Frauen was vorlesen, Hospizarbeit und Kegelverein & Co.“ – autsch! Ich arbeite (ja, ehrenamtlich und neben meinem „Brotberuf“) in einem Hospizverein… und möchte diese Tätigkeit natürlich nicht so leicht despektierlich als Beschäftigungstherapie für unausgelastete Menschen ohne sonstige Hobbies hingestellt wissen.
    So, wie ich unsere Hospizarbeit kennengelernt habe, ist sie meines Erachtens fast nur ehrenamtlich denkbar: Dadurch, dass wir unsere Zeit und Aufmerksamkeit freiwillig schenken, können wir absichtslos bleiben in der Begleitung – und das ist sehr wichtig. Wir sind oftmals die einzigen, die ohne eigene Interessen, ohne Geld- und Zeitnot oder sonstige Interessenkonflikte einfach da sein können, nur im Sinne der Sterbenden.
    Dafür werden wir im Übrigen auch geschult und haben regelmäßige Supervision; sprich: wir nehmen unseren „Job“ sehr ernst.
    Ich bekomme zwar kein Geld dafür, aber sehr viel anderes Wertvolles… und last but not least kann es vermutlich auch nicht schaden, sich im Leben schonmal mit dem Sterben zu beschäftigen – dran sind wir ja alle mal…
    Ansonsten kann ich heftig nicken zu dem Artikel, aber dieses Statement für die Hospizarbeit musste ich jetzt loswerden!
    Herzliche Grüße!

    1. Hallo Ute,

      ja! Danke! Insgeheim habe ich ja gehofft, dass auch jemand das Ehrenamt verteidigt – denn ich sage ja nun wirklich nicht, dass es per se schlecht ist…. Und ganz bestimmt hab ich es nicht als „Beschäftigungstherapie für unausgelastete Menschen ohne sonstige Hobbies“ beschrieben.
      Natürlich verstehe ich deinen Einwand, besser als du vielleicht glaubst…. Auch das habe ich ja geschrieben: Ist nicht so, dass ich mich nicht auch schon stark ehrenamtlich engagiert hätte, es hat mir auch „viel gebracht“ habe ich ja beschrieben. Und es gibt sicher bei jedem Menschen einen anderen Grund für seine Mitarbeit in „dem Ehrenamt“ – das es so pauschal ja nun gar nicht gibt. Deshalb möchte ich es auch vermeiden, Telefonseelsorge gegen Jugendsportvereine und/oder Hospizarbeit „aufzurechen“.
      Das wirklich Schlimme finde ich, dass vieles heute „fast nur ehrenamtlich denkbar“ ist – Zitat von dir. Und meine Frage ist: Muss das wirklich so sein? So bleiben? Nutzen oder schaden wir uns damit?

      Herzlichen Gruß
      Maria

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