Ist Achtsamkeit „neumodischer Blödsinn“?

Ist Achtsamkeit „neumodischer Blödsinn“?

Ja, die Frage in der Überschrift habe ich neulich genau in dieser Formulierung irgendwo gelesen. Und gemerkt, wie ich auf diesen Satz achte … Denn das ist eine meiner wichtigsten Weltwahrnehmungen: dass ich auf Worte achte. Manchmal auch auf das, was sie mit mir machen. Bei „Achtsamkeit“ geht das so: Ich muss mich mit dem Begriff nicht sonderlich anstrengen, denn er ist kein Anglizismus, gar noch hässlich eingedeutscht. Er ist von Anfang an irgendwie vertraut. Und, ja: Ich habe auch schon mal ein Achtsamkeitstraining absolviert. Eher unfreiwillig, in einer Reha. Und das war ziemlich extrem. Wenn du durch den Wald gehen und abwechselnd einen Sinn nach dem anderen ausschalten und dich trotzdem „ganz“ fühlen sollst, kann das eine ungewohnt intensive Erfahrung werden. Wenn ich mitten im Wald nichts sehe – was dann? Wenn ich nichts höre? Und was mache ich mit dem seltsamen Gefühl, blind in feuchtes Moos zu greifen – wenn ich es gar nicht beschreiben kann, nicht mal sicher bin, was zum Teufel das jetzt eigentlich schon wieder ist?!

Achtsamkeit ist immer und überall

Doch es geht auch viel simpler: Wer schon einmal Lebensmittelmotten gehabt hat, wird in Zukunft wirklich – und im wahrsten Sinn des Wortes – viel achtsamer mit seinen Lebensmitteln umgehen. Wer Kinder hat, kann jahrelang unendliche Listen immer neuer Achtsamkeits-Warnzeichen aufzählen. Oder mein Hund: Seit ich ihn habe, scanne ich Wege, Gebüsche und Unterholz mit vorher nicht mal ansatzweise gekannter Achtsamkeit. Und zwar genau seit dem Moment, als meine Hündin in einer menschenverlassenen Gegend aus dem Unterholz eine völlig intakte Hühnerkeule zerrte. Fast hysterisch hab ich ihr die wieder abgenommen, denn für mich war völlig klar: Die ist absichtlich dort deponiert worden. Und kann nur vergiftet sein. Ob das stimmte oder nicht, ist nicht weiter wichtig … Seitdem hat meine Achtsamkeit  in und an solchen Punkten nie wieder nachgelassen.

Achtsamkeit, Älterwerden, 50plus

Ich würde also sagen: Achtsamkeit ist immer und überall, immer schon gewesen. Und worauf wir achten, hängt allein mit unseren eigenen Erfahrungen zusammen. Genau das ist der Punkt: Wenn wir hektisch fokussiert auf – etwa beruflich zu Erledigendes –  durch unser Leben rennen, blenden wir gern alle Erfahrungen aus. Ich weiß doch eigentlich, dass ich wieder eine schlaflose Nacht provoziere, wenn ich das und das tue … Aber dieses Wissen ignoriere ich gnadenlos, wenn ich nur noch an meinen nächsten Abgabetermin denke. Ich tue es trotzdem, denn ich habe(glaube ich zumindest) einfach keine Zeit, um auf die beginnenden Kopfschmerzen – oder andere körperliche Warnzeichen – zu achten. Damals im Wald, da gab es Reha-Mitpatienten, die stellten hinterher erschrocken fest, dass sie auf bestimmte Gefühle schon seit Jahren nicht mehr geachtet hatten. Das rächt sich. Immer. Darum finde ich, dass Achtsamkeitstraining durchaus eine Berechtigung hat. Und dass „Achtsamkeit“ bestimmt kein „neumodisches Zeug“ ist.

Wie Achtsamkeit zum „Glück des perfekten Moments“ führen kann

Übrigens: Karen Hartig ist eine Frau, die das scheinbar alltäglich Banale im Spiegel seiner viel größeren Tragweite aus ihrer Sicht als Coach perfekt beschreiben kann. Und ich kenne keinen besseren Text zum Thema Achtsamkeit als den von Karen auf ihrem langen Weg zum Briefkasten …  da führt Achtsamkeit am Ende sogar zum „Glück des perfekten Moments“. Findet ihr hier.

Und wer das Wort „Achtsamkeit“ jetzt immer noch doof finden sollte: Natürlich hat Karen Recht, wenn sie sagt „Die Bezeichnung ist ganz egal. Achtsamkeitsmoment“ – oder was ganz anderes. Es spielt keine Rolle, wie wir das nennen. Hauptsache, wir schaffen es, solche Momente (wieder) wahrnehmen zu können. Und unsere Achtsamkeit nicht nur auf Moose, Motten, Kinder und Hunde richten. Sondern ausdrücklich auch auf uns – und zwar so oft wie möglich.

Was mich angeht, bleibe ich dem Begriff „Achtsamkeit“ treu. Ich mag ihn. Und ihr könnt mir glauben: Ich bin sehr achtsam, wenn es um die Wahl meiner Worte geht ….

 

Nachtrag vom 12. April 2018
Gerade habe ich entdeckt, dass auch die tolle texterella, Susi Ackstaller, sich – sehr lesenswerte – Gedanken zum Thema gemacht hat.

 

In eigener Sache

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Die Trilogie des Eigensinns besteht bislang aus zwei Büchern – die sich ohne Probleme auch wunderbar getrennt voneinander lesen lassen. Macht durchaus Sinn, denn sie bilden zwar eine „Familie“, haben aber unterschiedliche Schwerpunkte. In „Mein Kompass ist der Eigensinn“ geht es darum, wie wir Eigensinn erkennen, ihn für uns entwickeln können. Aber auch darum, wo er seine Grundlagen hat, welche Vorbilder ich gefunden habe – und wie er uns helfen kann. Als Kompass zum Beispiel. Oder beim Schreiben von (eigenen) Büchern.
In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Aber auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch.
Beide Bücher auf einen Blick – und auch zum Bestellen – im Shop der Autorenwelt hier. Aber natürlich auch überall sonst, wo es Bücher gibt.

Ich freue mich, wenn ihr diesen Beitrag in die Welt tragt ... danke!

11 Gedanken zu „Ist Achtsamkeit „neumodischer Blödsinn“?

  1. toller Artikel, ich möchte das Wort Achtsamkeit noch zusätzlich mit Behutsamkeit ergänzen,
    wie wichtig es ist mit beidem umzugehen wird meist nur deutlich wenn man in solch Situationen wie du mit deinem Hundi gerätst.
    Gutes Beispiel als Verdeutlichung.
    solche und ähnliche Artikel – Bewusstsein zu schaffen sind gerade in unserer hektischen zeit wichtiger denn je….
    liebe Grüße
    angelface

  2. Ein schöner Text, der den Stellenwert der Achtsamkeit gut heraus arbeitet!

    Zu diesem Absatz:

    „Es spielt keine Rolle, wie wir das nennen. Hauptsache, wir schaffen es, solche Momente (wieder) wahrnehmen zu können. Und unsere Achtsamkeit nicht nur auf Moose, Motten, Kinder und Hunde richten. Sondern ausdrücklich auch auf uns – und zwar so oft wie möglich.“

    möchte ich eine Ergänzung / Weiterung hinzufügen, denn es stellt sich ja doch die Frage: WAS bedeutet denn „auf uns“ konkret?

    Dazu steht viel (auch Alltags-Nützliches) im Artikel

    Entspannung – Vom Jenseits des „Um-Zu“
    http://www.claudia-klinger.de/entspann.htm

    Die Zentrierung auf „Entspannung“ bedeutet nicht, dass es nur ums „entspannt sein“ im engeren Sinne geht. Ich hätte den Artikel auch rund um „Achtsamkeit“ schreiben können – ist halt schon eine Zeit lang her! 🙂

    1. Liebe Claudia,

      wow, was für ein Text! Weiss gar nicht, wo ich da mit einer Antwort einhaken kann. Aber eigentlich hast du da ja schon wirklich ALLES gesagt!

      Ganz herzlichen Dank jedenfalls für diesen Hinweis (und wie immer, hab ich mich beim Lesen in deinem Blog verlaufen… soll heißen: lesend nach rechts, links, vorne, hinten und wieder zurück… Macht einfach Spaß!)

      Lieben Gruß
      Maria

  3. Liebe Maria, nichtsahnend beim ersten Kaffee lese ich Deinen Artikel – und dann kommt’s! Berührt danke ich Dir für Deine Wort, freue mich und fühle mich geehrt. Und ja: Wie wir „es“ nennen, ist relativ egal – es zu tun, „bewusst im Hier und Jetzt“ zu sein, in der wahrgenommenen Präsenz statt irgendwo außerhalb zu zerfransen viel wichtiger. Und seien es da Hühnerknochen im Gebüsch, Motten oder Goldberg-Variationen….
    Bis bald, viele Grüße!
    Karen

  4. Liebe Maria,

    ich versuche gerade mehr Achtsamkeit in mein Leben zu bringen. In den vielen Jahren habe ich zu lange einfach nur funktioniert und Dinge gemacht, die ich nicht wollte.

    Für mich ist Achtsamkeit ein sehr positiv besetztes Wort.

    Viele Grüße
    Renate

  5. Liebe Maria,
    danke für diesen Beitrag.
    Ohne Achtsamkeit kann kein Mensch überleben.
    Das der Begriff „Achtsamkeit“ für Werbezwecke ausgenutzt wird,
    ist verständlich, denn er wirkt. Dass er überstrapaziert wird, empfinde vielleicht nicht nur ich so.
    Doch es gibt Widersprüche die weh tun, wenn zum Beispiel eine Achtsamkeitslehrerin bei den Vorbereitungen zu einem Workshop so zerstreut ist, dass sie gar nicht bemerkt, dass sie ihre Mitmenschen überfährt, anfährt, ignoriet, dann ist das für mich praktizierter Mißbrauch einer guten Sache. Ich nahm dann nicht an dem Workshop teil, bekam zwar auch kein Geld zurück, aber ich konnte dieser Frau gar nicht mehr zuhören…
    Achtsam mit jeden Wort umgehen, liebe Maria, das schreibst Du ganz richtig. Ob ich dieser Lehrerin mal ein paar Worte schreiben sollte?

    1. Liebe Karin,
      ui, nicht schön. Aber vielleicht war das ja auch nur ein „Ausrutscher“? Wir alle dürfen ja mal Fehler machen… Nur, wenn es zur Gewohnheit wird, sollte das der Frau wohl tatsächlich mal jemand sagen.
      Dir alles Liebe!
      Herzlichen Gruß
      Maria

  6. Ein schöner Beitrag. Ich denke auch Achtsamkeit ist kein neues Wort. Wenn man mal krank war, achtet man viel mehr und genauer auf seinen Körper. Bewusstsein und Achtsamkeit gehören zusammen, denn es geht ja auch um unsere Mitmenschen, wie wir mit denen umgehen. Im Berufsleben geht durch die ständige Hektik vieles verloren!
    Lg. Gabi

    1. Liebe Gabi,
      danke dir! Ja, das kommt leider noch dazu: Manchmal muss es erst die „harte Tour“ über eine Krankheit sein… Aber ich denke, dann haben wir unsere „Lektion“ auch gelernt.
      Dir alles Gute
      herzlich
      Maria

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