Sichtbarkeit: Ich

Sichtbarkeit: Ich

Die folgende kleine Buchmessen-Geschichte hab ich mir bis zum Schluss aufgehoben. In dieser Begegnung geht es um mich. Neben all den anderen, bereits Zitierten war da nämlich noch Helene, 61. Die sah mich nur kurz an und sagte trocken: „Man trägt einen Ring wie Sie – und dann bleibt man sichtbar!“ Puff, Päng, Nagel auf den Kopf getroffen. (Nein, dass der Nagel mein Markenzeichen ist, konnte sie gar nicht wissen…)

Mein Ring und ich.
Mein Ring und ich.

 

Ja. es ist wahr: Ich hab was gegen das Verschwimmen, Verschwinden, das Abgleiten in grau oder beige, kurz: gegen das Alt- und Unsichtbar-Werden. Und dieser Ring ist schon lang mein Markenzeichen. Gekauft nach einer schweren, langen Krankheit. Ursprünglich vor allem mit dem Hauptzweck, mich selbst daran fest zu halten. Mich an einen bestimmten Punkt in meinem Leben zu erinnern. Denn dies gehört für mich ebenso zum Sichtbarbleiben: Die eigene Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren. Sich am eignen Leben und dessen Ereignissen lang zu hangeln. Mir war aber auch wichtig, dass es etwas ist, was garantiert jeder auf einen Blick von außen sieht. Auch jemand, der mich gar nicht kennt. So wie Helene.

Individuell, eigensinnig, „echt“

Warum ist das so? Ich behaupte mal, das geht nicht nur mir so… andere tragen jahrzehntelang Fotos in der Brieftasche oder einen Talisman mit sich rum, „individualisieren“ ihr Auto, ihr Handy, von all den Selfies gar nicht zu reden… Warum haben scheinbar alle Menschen plötzlich solche Angst, „verloren“ zu gehen, keine sichtbaren Spuren zu hinterlassen? Das geht doch schon lange weit über das alte „Gebot“ hinaus, ein Haus zu bauen, Nachwuchs zu zeugen/zu gebären, einen Baum zu pflanzen. Es beginnt mit der „richtigen Kleidung“, der richtigen Sprache, mit Gesten und Verhaltens-Maßnahmen – vieles davon mühsam antrainiert, damit es eben jenes Bild von uns vermittelt, dem wir entsprechen möchten. Das alles ist verständlich, und doch führt es – wie ich finde – auf eine falsche Spur. Denn dabei geht es um Selbst-Optimierung. Das ist aber nicht MEIN Thema. Mein Thema ist das Individuelle, das Eigensinnige, das ganz und gar Persönliche, das „Echte“, wenn man so will. Dieser Ring zum Beispiel ist eben NICHT einfach modisches Attribut, sondern Statement. So wie im Idealfall übrigens auch meine Kleidung…. Das kann viel simpler sein als die Sache mit dem Ring, dann zeigt meine Kleidung einfach nur, wie ich mich heute fühle…. schlampig etwa, das wäre dann 1:1. Oder dass ich bewusst etwas gegen aufkommende Tristesse unternehmen will – dann kann es bunt werden. Schwarz kommt bei mir übrigens häufig vor… das ist ein Grund-Statement und bedeutet übersetzt niemals Trauer, manchmal ein wenig Rebellion, meist aber so was wie: schlicht und pur, das bin ICH.

Magisch….

Dumm ist natürlich: Das alles kann mein Gegenüber gar nicht wissen (selbst mein Mann tut sich noch immer schwer mit dem „Entziffern“….) Da ist durchaus die Frage erlaubt: Wozu das alles? Was bringt es? Ich behaupte: sehr viel! Es genügt, wenn ich weiss, wofür der Ring steht. Wenn er andren Menschen ins Auge fällt: umso besser. Aber „zwischen den Zeilen“ geschieht etwas, das ist für mich ein fast magischer Vorgang. Indem ich mich mit meiner Kleidung, meinem Ring oder was sonst auch immer zeige, beziehe ich Position. Ich weiss das. Und das genügt. Damit strahle ich etwas aus. Und ich behaupte: DAS allein hilft schon viel gegen das Unsichtbar-Werden.

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Würde mich brennend interessieren!

Ich freue mich, wenn ihr diesen Beitrag in die Welt tragt ... danke!

2 Gedanken zu „Sichtbarkeit: Ich

  1. Liebe Maria,

    so einen Riesenring (der ist ja noch größer als der meiner Tochter, den wir liebevoll Schlgring nennen) besitze ich nicht. Einige beigefarbene Kleidungsstücke schon, die passen aber zu mir, weil ich auch gern braun, rost, grün, gelb, curry und alle anderen Herbstfarben zu meinen dunkelbraunen Haaren trage. Gelegentlich auch rot. Grau ist nicht. Und schwarz habe ich in New York genau so wie hier in Berlin standhaft verweigert. Damit seh ich aus wie eine Wasserleiche.
    Ich habe ehrlich gesagt weniger Probleme mit dem Verschwinden hinter gedeckten Farben, als mit dem Nicht-wahrhaben-wollen, dass frau eben keine 25 mehr ist und in manchen Gewändern schlicht peinlich aussieht. Ich bin _nicht_ die große Schwester meiner erwachsenen Töchter und muss daher auch nicht so aussehen. Das ist für mich nämlich genauso ein fremdbestimmtes Bild, wie das einer Frau, die in Sack und Asche geht, weil sie die 50 überschritten hat.

    1. Liebe Gundula, danke für deine Antwort! Ja, als Not-Waffe eignet sich der Ring auch 😉 Für einen Schlagring ist er allerdings zu schön! Und Sichtbarkeit beginnt für mich ganz klar im Kopf. Ich glaube, es ist eine HALTUNG. Ich versuch das im Lauf des Blog-Voranschreitens noch weiter zu thematisieren….
      Herzliche Grüße
      Maria (der schwarz übrigens ganz hervorragend steht – was sich aber langsam ändert, weil: Mit hellen Hundehaaren drauf siehts schrecklich schlampig aus. Aber man sucht sich einen Hund ja nicht nach Farben aus – ich jedenfalls nicht….)

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